2. Tag: Caorle – Venedig, 52 km

Nach einem köstlichen Frühstück auf der Meerblick-Terrasse des Hotels „Negretto“ und langem Warten auf die Rechnung (Diego, der Hotel-Chef ist noch schnell auf einen Kaffee gegangen und lässt mich warten… :-)), breche ich viel zu spät auf und fürchte mich schon vor der bevorstehenden Hitze.

Von Caorle folge ich der Via Sansonessa stadtauswärts auf einem eher holprigen Radweg, der dann in die Viale Panama mit einem schönen parallel zur Straße laufenden, zweispurigen Radweg mündet. Ich frage mich, ob ich die einzige Radfahrerin im Großraum Caorle bin… Die Straßen sind wie leer gefegt! Naja, klar, der Rest der Welt befindet sich bei diesen Temperaturen entweder in angenehm klimatisierten Räumen oder am Strand…

Ich überquere den Fiume Livenza bei Porto Santa Margherita und schlängele mich danach durch eine herrliche Parkanlage.

Der Radweg verläuft immer in südwestlicher Richtung parallel zur Viale Altanea, die ab der Ortschaft Duna Verde Via Selva Rosata heißt. Bei Eraclea Mare macht die Straße einen Bogen nach Norden, um nach einem Kreisverkehr die Richtung wieder nach Südwesten zu korrigieren. Nach langer einsamer Fahrt überholt mich ein ebenso bepackter Radfahrer, der nur kurz „Hallo“ sagt und an mir vorbei fährt.

An dieser in privater Hand befindlichen und gebührenpflichtigen Brücke über den Piave verspüre ich zum ersten Mal das Bedürfnis, Menschen – in diesem Fall die geschäftigen Fischer – anzusprechen, um zu erfahren, was hier gefangen wird, woher sie kommen, usw. Zu diesem Zeitpunkt bin ich allerdings noch zu schüchtern dafür und fahre fotografierend an ihnen vorbei…


Cortellazzo

Ich durchquere den von einem üppigen Pinienwald umgebenen charakteristischen Fischerhafen Cortellazzo, der laut TripAdvisor ein ideales Ziel ist, um in einem für die venezianische Lagune typischen Ambiente vorzügliche und frische Fischgerichte zu kosten.
 

Bei der Ortsausfahrt von Cortellazzo geht’s über eine Brücke in das Ortsgebiet von Lido di Jesolo. Die Ansammlung von Fischkuttern, Holzpfählen und dunkelfarbigen Fahnen versprühen maritimes Flair.

Nach der Brücke folgt man rechter Hand dem Canale Cavetta, der den Piave mit dem Fluss Sile verbindet. Auf der einsamen Straße Via Cavetta Marina geht es schnurgerade Richtung Westen bis Jesolo. Am anderen Ufer sind die Kirche und der Campanile von Cortellazzo zu sehen. Holzstege und Motorboote säumen den Kanal.

Bis Jesolo fahre ich, wie eigentlich über die gesamte Strecke, eben dahin, immer entlang des Canale Cavetta. Links von mir breiten sich Kartoffel- und Sojafelder aus und in der Ferne ragen die Bausünden von Lido di Jesolo in die Höhe. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals liegt die relativ stark befahrene Via Cristofo Colombo, weiter vorne ein Wasserturm und endlich ist auch der Campanile von Jesolo zu sehen.

Wassertürme und deren Funktionsweise Die Wasserversorgung der an das Wassernetz angeschlossenen Gebäude erfolgt allein mit Hilfe des aus der Schwerkraft resultierenden hydrostatischen Drucks. Dabei dient der Hochbehälter auch als Ausgleichsbehälter. Das aus dem Wassernetz entnommene Wasser führt zu einer Verminderung der Wassermenge im Hochbehälter. Daher wird der Hochbehälter regelmäßig nachgefüllt, sodass der Wasserpegel möglichst auf gleicher Höhe bleibt. Auf diese Weise wird der Wasserdruck im Netz konstant gehalten. In Wassernetzen mit Hochbehälter werden Pumpen ausschließlich zum Befüllen des Hochbehälters benötigt. Für einen ausreichenden Druck müssen alle Abnehmer tiefer als der Hochbehälter liegen. Abnahmestellen, die höher liegen (z. B. Hochhäuser), benötigen eine eigene Druckerhöhungsanlage (https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserturm).


Jesolo

Jesolo teilt sich in zwei Bereiche: Jesolo Paese, etwa zwei Kilometer vom Strand entfernt, an der Lagune von Venedig gelegen und das touristisch bedeutsamere Lido di Jesolo an der Adriaküste. Letzteres breitet sich zwischen den Flüssen Sile und Piave aus (https://de.wikipedia.org/wiki/Jesolo).

Ich fahre den Sile entlang bis zu einer Fußgängerbrücke mit rotem Teppich, die ich überquere. Danach streife ich durch einen schmalen, aber reizvollen Park, der parallel zum Fluss verläuft bis zur Brücke „Ponte della Vittoria“ von wo ich einen Blick auf die neuromanische Kirche „Parrocchia di San Giovanni Battista“ werfe. Entgegen meiner Erwartungen hätte Jesolo Paese noch einige kulturhistorische Schmankerln zu bieten, doch leider hab ich nicht viel Zeit und muss meinen Weg fortsetzen.

Nach Jesolo Paese folgt der, meiner Empfindung nach, bisher schönste Streckenabschnitt auf Schotterwegen entlang des Sile schlängelnd auf einem schmalen Landstrich zwischen dem Fluss auf der linken und der Lagune von Venedig auf der rechten Seite.

Ich überwinde mich zum ersten Mal und spreche einen Mann an. Er lebt hier mit seiner Frau zwischen „Acqua e Acqua“ in einem entzückenden Steinhäuschen, war einst Fischer, wie die meisten Leute in der Gegend und kümmert sich nun um Haus und Garten.

An den Ufern des Sile tauchen auch schon die ersten Pfahlbauten der Fischer, die sogenannten „Trabocchi“ mit ihren typischen quadratischen Fangnetzen auf. Ein Meer aus köstlichen Brombeeren säumt den Weg…

Drei Kilometer vor Cavallino muss man eine elektrische Schleusenbrücke, die für Radfahrer geschlossen und für Boote geöffnet wird, überqueren. Italienische Familien und Fischer nutzen sie, um mit ihren Booten vom Meer zurück nach Cavallino oder in die Lagune von Venedig zu gelangen oder auch, so wie ich, den Weg von Jesolo bis Cavallino mit dem Rad zurückzulegen. Man braucht ein wenig Geduld, denn es dauert eine Zeit lang, bis man die Brücke passieren kann. Das leise Brummen der Motoren, italienisches Gemurmel und lautes Grillengezirpe bilden die Geräuschkulisse.

Der Radweg bis Cavallino ist wunderschön und wird nur von mir und dem Belgier, der mich schon bei Eraclea Mare überholt hat, benutzt. Er ist nicht sehr gesprächig und fährt wieder einmal stumm an mir vorbei…


Cavallino-Treporti

Cavallino-Treporti ist eine Gemeinde mit 13.538 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2019) in der Metropolitanstadt Venedig und der Region Venetien. Sie liegt auf einer Landzunge zwischen der Lagune von Venedig und der Adria. Die Gemeinde besteht aus den Fraktionen Cavallino, Treporti, Ca‘ Savio, Ca‘ Ballarin, Lio Piccolo, Punta Sabbioni, Saccagnana, Ca‘ di Valle, Ca‘ Pasquali, Ca‘ Vio und Mesole. An der Adriaseite befindet sich ein ca. 12 Kilometer langer Sandstrand mit zahlreichen Campingplätzen und Ferienanlagen. Die Straßenbrücke über den Fluss Sile ist die einzige Landverbindung zum übrigen Festland und führt in die Nachbargemeinde Jesolo (https://de.wikipedia.org/wiki/Cavallino-Treporti).

Punta Sabbioni, ein Punkt am westlichen Ende der Halbinsel, ist an das Wasserbus-System der Vaporetti in Venedig angeschlossen. Die Linie 14 führt zum Lido, von wo aus die Schiffe der Linie 1 durch den Canale Grande fahren. Die Linie 12 hingegen hat einen längeren Weg und erschließt zahlreiche Inseln in der Lagune, ihr Endpunkt liegt am östlichen Rand von Venedig. Eine weitere Vaporetto-Station in der Gemeinde ist Treporti, sie befindet sich in abgelegener Lage am Yachthafen Marina Fiorita (https://de.wikipedia.org/wiki/Cavallino-Treporti).

Der Streckenabschnitt zwischen Cavallino und Punta Sabbioni wäre mit Sicherheit über die Via della Marinona und die Via Pordello am Canale Pordello entlang schöner gewesen. Komoot hat mich allerdings zur Via Fausta mit Radweg navigiert. Der Weg bis Punta Sabbioni ist hier eintönig und zieht sich in die Länge, denn es liegen immerhin noch 9 Kilometer vor mir.

Da ich mich ganz in der Nähe vom Campingplatz Mediterraneo befinde, wo wir als Kinder öfters den Sommerurlaub verbracht haben, nutze ich die Gelegenheit und statte ihm einen Besuch ab. In den letzten 30 Jahren hat sich hier einiges verändert.

Nach dreieinhalb Stunden Fahrtzeit erreiche ich ziemlich erschöpft aber glücklich mein vorläufiges Ziel Punta Sabbioni, von wo aus ich mit der Fähre nach Venedig fahren möchte.

Ich bestelle das Ticket und dann folgt der Schock: „Con la bici non si puo andere a Venezia!“ sagt mir der kurz angebundene Ticket-Verkäufer, was übersetzt bedeutet: “ Mit dem Rad kann man nicht nach Venedig fahren!“ Ich spiele alle nun daraus folgenden Konsequenzen und möglichen Szenarien gedanklich durch und weil ich nicht weiß, was ich tun soll, rufe ich verzweifelt meinen Mann Harald an.

Er kann mir auch nicht weiter helfen und ich frage nochmal den Mann am Ticket-Stand, wie es sein kann, dass mir der Hotelbetreiber in Venedig eine Unterstellmöglichkeit für mein Rad zusichert und nichts von einem Fahrradverbot in der Stadt erwähnt.

Der Ticket-Verkäufer meint, ich solle mich an den Hauptschalter direkt bei der Anlegestelle in Punta Sabbioni wenden… Dort erklärt mir eine sympathische Dame, dass ich sehr wohl mit dem Rad nach Venedig übersetzen könne. Ich müsse es nur am Tronchetto deponieren. Dort gebe es allerdings keine gesicherte Abstellmöglichkeit. Mit meinem Trekkingbike ist das zwar auch ein Risiko, aber das gehe ich ein, weil ich keine andere Wahl habe. Mein Gravelbike würde ich dort allerdings nicht stehen lassen. Vom Tronchetto kann man mit dem Vaporetto ohne Rad in die Innenstadt weiterfahren.

Erleichtert und mit dem Ticket in der Hand begebe ich mich zum nächsten Restaurant und entspanne bei „Branzino con le verdure“ in atemberaubendem Ambiente…

Danach nutze ich die verbleibende Zeit, um an einem kleinen Sandstrand an der Lagune von Venedig, weit ab von jeglichen Touristenströmen ein Bad zu nehmen. Das Wasser in der Lagune ist aufgrund des Lockdowns im Frühling glasklar. Ich versuche mit ein paar Fotos die entspannte Atmosphäre einzufangen und beobachte eine italienische Familie, die ihren Sonnenschirm und die Liegestühle direkt am Wasser aufbaut, eine Gruppe von einheimischen Jugendlichen, die ihre Freizeit am Wasser verbringt und vermutlich eine Großfamilie oder befreundete Familien, die sich zum Fischen zusammenfinden und schon die Vorbereitungen für das bevorstehende Essen treffen. Ich amüsiere mich und bin dankbar, beim Freizeitvergnügen all’Italiana ein wenig teilhaben zu dürfen.

Diese besondere Stimmung lässt mich die Zeit vergessen und ich versäume mein Schiff.

Gott sei Dank ist es nicht so schlimm, denn es legen alle 30 Minuten Vaporetti in Richtung Venedig ab. Das wusste ich allerdings vorher nicht…


Venedig – „La Serenissima“

Die Sonne steht schon tief am Himmel und ich genieße den Blick auf den Markusplatz mit Dom, Campanile und Dogenpalast.

Der Dogenpalast (italienisch Palazzo Ducale) in Venedig war seit dem 9. Jahrhundert Sitz des Dogen und der Regierungs- und Justizorgane der Republik Venedig. Der Palast war Regierungs- und Verwaltungszentrum der Republik und zugleich eindrucksvolles Symbol der Größe und Macht der Seerepublik Venedig (https://de.wikipedia.org/wiki/Dogenpalast).

Resümee des Tages: Es war eine eindrucksvolle, wenig anstrengende und sehr abwechslungsreiche Tour mit wunderschönen Radwegen und wenigen Passagen auf verkehrsschwachen Straßen. Sehr zu empfehlen!

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4 Antworten

  1. Evi sagt:

    Liebe Alice!
    Wenn man deine Zeilen liest, hat man das Gefühl „mittendrin“ und „dabei“ zu sein. Einfach herrlich, diese Erfahrungen und Eindrücke, die du vermittelst. Ich beneide und bewundere dich in deinen Vorhaben – und freue mich auf diese Art live dabei sein zu können.
    Alles Liebe weiterhin, ganz, ganz liebe und herzliche Grüße aus Purkersdorf, Bussi Evi

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