Ravenna ist entgegen meines ersten Eindrucks doch eine richtig coole Stadt und der Ort der schönsten Mosaike! Ich möchte noch einige Sehenswürdigkeiten anschauen, bevor ich meinen Zug um 17:30 nach Ferrara nehme. Hier ein Paar Hintergrundinformationen über die Stadt:
Ravenna lag ursprünglich unmittelbar an der Adria und war eine von Wasser umschlossene Lagunenstadt. Infolge von Verlandung beträgt die Entfernung des Stadtkerns von der Küste heute etwa neun Kilometer. Der Hafen ist durch den Canale Candiano mit der Küste und dem Seebad Marina di Ravenna verbunden. Die Stadt war aufgrund seiner geographischen Lage schon immer äußerst attraktiv und hatte das Potenzial zu einem bedeutenden strategischen Bollwerk. Auf der einen Seite von Sümpfen umgeben, verfügte die Stadt auf der anderen Seite über eine direkte Meeranbindung und war somit praktisch uneinnehmbar. Von 402 bis 476 war Ravenna Hauptresidenz der weströmischen Kaiser. Kaiser Honorius z. B. verlegte seinen Hof von Mailand nach Ravenna, da die Stadt sehr gut zu verteidigen war. Sümpfe auf der einen Seite, das Meer auf der anderen. Nach dem Tod des Honorius regierte dessen Halbschwester Galla Placidia zunächst für ihren minderjährigen Sohn Valentinian III. Sie ließ die Stadt prächtig ausbauen. Nach der Rückeroberung Italiens durch oströmische Truppen war Ravenna bis zur Einnahme durch die Langobarden im Jahre 751 Zentrum eines kaiserlichen Exarchats (https://www.uni-salzburg.at/fileadmin/multimedia/Altertumswissenschaften/documents/Ex_ScNorditalien_Ravenna_während_Langobardenherrschaft_Pfeffer.pdf, https://de.wikipedia.org/wiki/Ravenna).
Von besonderer kunsthistorischer Bedeutung sind Ravennas frühchristliche Kirchen, Taufkapellen, Mausoleen und Mosaiken. Acht Gebäude aus dem 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. wurden 1996 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Die Kunsthistorikerin Anna Maria Cetto schreibt: „Ravenna ist der einzige Ort im Bereich der abendländischen Kirche, dessen frühchristliche Mosaiken mit denen Roms wetteifern können, ja sie in den Schatten stellen.“
Der Fremdenverkehr ist ein bedeutender Erwerbszweig. Die am Meer liegenden Badeorte Lido di Ravenna, Marina di Ravenna, Lido di Classe usw. verfügen über zahlreiche Campingplätze, Ferienhäuser und Hotels, aber auch weitläufige Naturschutzgebiete. Am Lido di Dante gibt es auch einen ausgedehnten FKK-Strand. Bei Ravenna befindet sich aber auch eine Erdölraffinerie und ein bedeutendes Industriegebiet der Chemie- und Energiebranche sowie ein Stahlwerk der Marcegaglia SpA. Weitere wichtige Industriezweige sind die Schuh-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie. Der Hafen von Ravenna gehört zu den wichtigsten Häfen an der Adria (https://de.wikipedia.org/wiki/Ravenna).
Mario holt mich vom Hotel ab und wir verbringen den Vormittag gemeinsam zunächst bei Pasticciotti (kleine Törtchen) und Wasser in seiner Lieblingspasticceria „Veneziana“. Gleich anschließend genehmigen wir uns noch einen Cappuccino bei „Mariani“, denn dort ist er laut Mario am besten. Ich finde es irgendwie amüsant, dass wir nicht beides in einem Lokal konsumieren…:-)) Danach holen wir uns die Eintrittskarten für die Basilika San Vitale, das Mausoleum der Galla Placidia und die Basilika Sant‘ Apollinare Nuovo. Die Sehenswürdigkeiten darf man nicht einfach so betreten, sondern aufgrund der Corona-Maßnahmen bekommt man einen persönlichen Termin.

Basilika San Vitale
Um 10:30 sind wir bei der Basilika San Vitale angemeldet. Endlich sehe ich sie auch von innen und bin überwältigt von den Farben, Formen und Mustern der bunten Mosaike an Wänden, Gewölben und am Boden.
Die Kirche San Vitale in Ravenna, vermutlich 537 begonnen und 547 dem heiligen Vitalis geweiht, zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauten der spätantik-frühbyzantinischen Zeit. In ihr verbinden sich Architekturformen aus dem Oströmischen Reich mit für das damalige Italien typischen Bautechniken. Sie entstand in einer Zeit des Umbruchs, als der oströmische Kaiser Justinian I. Krieg gegen das ostgotische Königreich in Italien führte. Berühmt ist die als Zentralbau errichtete Kirche vor allem für ihre Mosaikausstattung im Innern, insbesondere die Porträts von Justinian und seiner Frau Theodora im unteren Apsisgewände. Mit den anderen frühen Kirchenbauten in Ravenna gehört San Vitale seit 1996 zum UNESCO-Welterbe. 1960 erhielt sie durch Papst Johannes XXIII. den Ehrentitel Basilica minor (https://www.italien-und-vatikan.de/italien/ravenna/basilika-san-vitale/basilika-san-vitale.htm).












Gleich neben der Basilika San Vitale befindet sich auch das Mausoleum der Galla Placidia. Es ist ein magischer Ort mit Mosaiken faszinierender Präzision mit wunderschönen Motiven, Mustern und Farben.
Mausoleum der Galla Placidia
Galla Placidia (386 – 450 n.Chr.) war die Schwester von Honorius, dem weströmischen Kaiser, der 402 seinen Hof von Mailand nach Ravenna verlegte und die Stadt zur Hauptstadt des Weströmischen Reiches machte. Zwischen 425 und 450 ließ sie dieses kleine Mausoleum erbauen, dessen Grundriss einem lateinischen Kreuz entspricht, das trotzdem nie als Bestattung benutzt wurde, weil die Kaiserin 450 in Rom starb und auch dort begraben wurde.Die schlichte Außenarchitektur des Gebäudes steht im Kontrast zum üppigen Mosaikdekor im Inneren, das dank des filtrierenden goldenen Lichts der Alabasterfenster noch glänzender ist. Der untere Teil der Wände ist mit Marmorstücken überzogen, der obere dagegen mit Mosaiken geschmückt, die die Wände, die Bögen, die Lünetten und die Kuppel bedecken. Im Einklang mit der Funktion des Gebäudes als Grabdenkmal stellen die ikonographischen Themen des Dekors den Sieg des Lebens über den Tod dar.Die Atmosphäre im Mausoleum ist zweifellos zauberhaft. Die zahlreichen Sterne der Kuppel haben die Fantasie und die Sensibilität der Besucher von Ravenna schon immer beeindruckt. Der Erzählung nach war Cole Porter auf seiner Hochzeitsreise nach Ravenna von der Atmosphäre des kleinen Mausoleums so stark beeindruckt, dass er in Erinnerung an den Sternenhimmel des Mausoleo di Galla Placidia sein hochberühmtes Lied Night and Day komponierte (http://www.turismo.ra.it/ger/Das-Territorium-entdecken/Kunst-und-Kultur/Unesco-Welterbe/Mausoleum-der-Galla-Placidia).








Nach der Besichtigung des Mausoleums radeln wir durch die Stadt. Bei einer Pizzeria müssen wir unbedingt eine kurze Pause für ein Foto einlegen…


Mario muss leider nach Hause, denn seine Frau Clara wartet mit dem Mittagessen. Es war sehr angenehm und unkompliziert mit ihm. Wir tauschen unsere Telefonnummern aus und ich freue mich jedes Mal, wenn ich von ihm Bilder von Mosaiken und Denkmälern aus Ravenna auf WhatsApp erhalte.
Ich flaniere mit dem Rad durch die Gassen, bevor ich viel zu spät zu meinem Termin in der Basilika Sant‘ Apollinare Novo komme, was aber überhaupt nichts ausmacht, denn die Kirche ist schwach besucht. Auch hier bin ich beeindruckt von den Dimensionen und den Details in Farbgebung und Schattierung von Kleidern und Gesichtern der dargestellten Heiligen auf der einen und der Märtyrerinnen auf der anderen Seite.
Basilika Sant‘ Apollinare Nuovo





Ich komme zufällig bei einer der zahlreichen Mosaik-Werkstätten vorbei und schaue mir die ausgestellten, sehr ansprechenden und modernen Arbeiten an. Eine junge Frau namens Melissa arbeitet an einem Mini-Mosaik mit Steinchen, die nicht größer sind als 1,5 x 1,5 Millimeter. Auch die Chefin des Studios ist anwesend und gibt mir eine Visitenkarte, damit ich sie kontaktieren kann, wenn mein Blog fertig ist. Melissa ist gerne bereit mir ein bisschen über ihre Arbeit zu erzählen und zeigt mir, auf welche Weise die Steinchen gebrochen werden.







Ich setze mich in ein nettes Lokal an der Piazza del Popolo und genehmige mir noch einen Aperolspritzer vor meiner Abreise. In dem schwach besuchten Gastgarten sitzt mir ein attraktiver Mann im schwarzen Anzug gegenüber, ein Banker oder so, denke ich. Ihn anzusprechen kostet mich einiges an Überwindung, doch dann gebe ich mir einen Ruck und frage ihn, ob er zufällig mit mir plaudern möchte. Hahaha, ohne zu zögern nimmt er seine Sachen, steht auf und kommt zu meinem Tisch. Genial! So einfach geht das! Wir plaudern über seine Arbeit als Immobilienmakler, ich erfahre, dass er aus Rom kommt und beruflich auch in Norditalien unterwegs ist. Seine Aussprache ist nicht ganz so leicht zu verstehen, weil er einige Silben verschluckt, aber für Smalltalk geht’s grad noch… Es ist wieder einmal eine nette, erfrischende Begegnung und ich bin stolz auf mich, auch diese Hürde genommen zu haben.



Weitere Eindrücke vom „Centro Storico“ von Ravenna:






Ciao, a rivederci, Ravenna!!

Die Zugreise verläuft mit Umstieg in Ferrara bis Venedig problemlos. In Mestre soll ich mir, laut Auskunft des Schalterbeamten in Ravenna, das Zugticket nach Villach kaufen, was jedoch leider nicht möglich ist, da es sich um einen ÖBB-Zug handelt, der außerdem keine Fahrräder transportiert. Ich hätte das Ticket in Österreich oder Online lösen müssen. Da mein Handy-Akku leer ist, kann ich zur Zeit online nichts machen. Daher bitte ich eine Linzer Familie um Hilfe. Der nette Papa kauft mit seinem Handy für mich ein Ticket, das ich ihm bar bezahle. Dass ich mein Rad eigentlich nicht mitnehmen darf, ignoriere ich zunächst und bestehe darauf, dass der Schalterbeamte in Ravenna mir nach zweimaliger Nachfrage bestätigt hat, dass man in diesem Zug Fahrräder mitführen dürfe. Ich stelle meines unbemerkt vor ein defektes WC und suche mir eine Kabine. Als der Schaffner kommt gibt’s Zorres… „Wem gehört das Fahrrad?“ fragt er streng in einem Wiener Slang und beschwert sich, dass es den Fluchtweg versperrt. Hätte ich mir denken können… Ich gebe zu, dass es meines ist und verhandle lang und breit mit ihm bis er schließlich eine Möglichkeit findet mein Fahrrad mitzuführen. Es wird in ein leeres Schlafabteil versperrt. Die Drohung, er müsse mich in Tarvis hinauswerfen, macht er Gott sei Dank nicht wahr und ich kann Harald Entwarnung geben: Er braucht mich nicht um Mitternacht in Tarvis abholen….
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