1. Tag: Triest – Caorle, 113 km

Dieses Mal möchte ich eine etwas sportlichere Etappe einlegen und entschließe mich dazu, die Strecke von Triest nach Caorle mit dem Rennrad zu absolvieren. In der Sattelstützentasche (laut Karin: „Oaschkanon“) von Ortlieb habe ich alles, was ich für eine Nacht benötige. Ich plane in Caorle zu übernachten und den nächsten Tag mit meinem Mann Harald und meiner Tochter Marie, sowie ihrer Freundin Anna am Strand zu verbringen. Sie werden in der Früh von zu Hause losfahren und am Vormittag bei mir in Caorle sein.

Um nach Triest zu kommen, nehme ich wieder mal meinen geliebten Bus um 6:50 Uhr von Villach nach Udine. Von dort gibt es einen Regionalzug, der um 10.00 Uhr in Trieste ankommt.

Im Giro d’Italia-Outfit geht es in Richtung Süden, der Sonne und dem Meer entgegen…


Triest

Triest ist eine am Golf von Triest gelegene Hafen- und Großstadt mit 203.234 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2019), darunter eine slowenische Minderheit. Triest liegt an der oberen Adria direkt an der Grenze zu Slowenien und ist Hauptstadt der autonomen Region Friaul-Julisch Venetien. Die Stadt ist Hauptsitz von weltweit tätigen Unternehmen wie dem Kaffeeproduzenten illycaffè S.p.A., der Versicherungsgesellschaft Generali, dem Schiffbauunternehmen Fincantieri sowie dem Schifffahrtsunternehmen Italia Marittima (ehemals Lloyd Triestino bzw. Österreichischer Lloyd). Von 1382 bis 1918 war Triest Teil der Habsburgermonarchie beziehungsweise von Österreich-Ungarn. Es war sein bedeutendster Handelshafen und einer der Stützpunkte der k.u.k. Kriegsmarine. Kulturell und historisch blieb Triest auch als Teil Italiens seit 1918 ein Ort des Zusammentreffens von Kulturen, Sprachen, Ethnien und Religionen. Nach 1945 wurden die Stadt und ihr gemischtsprachiges Hinterland erfolgreich von Jugoslawien beansprucht, nach einem Intermezzo als Freies Territorium Triest unterstand die Stadt ab 1954 wieder dem italienischen Staat (https://de.wikipedia.org/wiki/Triest).

Triest geriet, so wie Berlin an der Bruchlinie zwischen Ost und West beziehungsweise zwischen Demokratie und Kommunismus gelegen, durch den Ost-West-Konflikt Jahrzehnte lang in eine verkehrspolitische Randposition. Der Nachteil dieser Grenzlage und der daraus resultierende Verlust an wirtschaftlicher Bedeutung fielen mit dem EU-Beitritt Sloweniens 2004 und seinem Beitritt zum Schengen-Raum, der am 21. Dezember 2007 zum Wegfall der Grenzkontrollen zu Italien führte, weg. Triest ist mit seinem Tiefwasserhafen heute wie vor 1918 ein maritimes Tor für Norditalien, Deutschland, Österreich und Mitteleuropa und gilt als Endpunkt der maritimen Seidenstraße mit ihren Verbindungen über den Suezkanal beziehungsweise die Türkei und dem Landweg nach China, Japan und viele Länder Asiens. Der Hafen von Triest hat ein internationales Zollfreigebiet (Freihafen) mit fünf Freizonen (https://de.wikipedia.org/wiki/Triest).

Seit den 1960er Jahren ist Triest durch seine vielen internationalen Organisationen und Einrichtungen einer der wichtigsten Forschungsstandorte Europas, eine internationale Schul- und Universitätsstadt und hat einen der höchsten Lebensstandards unter Italiens Städten. Triest hat eine sehr lange Küstenlinie, freien Meerzugang in Barcola und ist von Grünland, Wald- und Karstflächen umgeben. In der Stadt befand sich auf dem Molo Sartorio der Mareograf, auf dessen festgelegte Werte aus den Jahren 1875 und 1900 sich in Mitteleuropa die meisten Bezugshöheangaben mit der Kennzeichnung „Meter über Adria“ beziehen. Triest, das an einem Schnittpunkt der lateinischen, slawischen, griechischen und jüdischen Kultur liegt, dort wo Mitteleuropa auf den mediterranen Raum trifft, gilt als eine der literarischen Hauptstädte und wurde wegen seiner unterschiedlichen Ethnien und Religionsgemeinschaften oft als frühes New York bezeichnet. Es gibt daneben noch weitere nationale und internationale Bezeichnungen für die Stadt wie zum Beispiel Trieste città della boracittà del ventoTrieste città della scienza – City of Science, „Stadt der drei Winde“, „Wien am Meer“ oder „Stadt des Kaffees“, in denen einzelne prägende Eigenschaften herausgehoben werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Triest).

Bevor ich meine Tour starte, verschaffe ich mir noch einen Eindruck von der Stadt Triest und streife durch die Altstadt. Um mich aufzuwärmen strample ich ein paar Höhenmeter auf den Hügel San Giusto, um mir die Kathedrale und das Kastell San Giusto anzusehen. Da dort gerade eine Hochzeit stattfindet, kann ich leider nicht in den Innenraum. Ich hätte allerdings beim Hineingehen eh ein Problem gehabt, da ich mein Radschloss vergessen habe…

Die Packliste gibt’s noch immer nicht… 🙂

Der Hügel San Giusto bildete einst den antiken Stadtkern. Zur Römerzeit befand sich auf dem Hügel ein administratives und religiöses Zentrum, wie die Reste von Säulen einer römischen Basilika aus dem 2. Jahrhundert beweisen (https://de.wikipedia.org/wiki/Castello_di_San_Giusto).

Die Kathedrale von San Giusto aus dem 14. Jahrhundert ist dem Schutzpatron der Stadt, dem hl. Justus gewidmet und überragt als eines der Wahrzeichen Triests die Stadt auf dem Hügel San Giusto. Die asymmetrische, mit einem Dreiecksgiebel abschließende Fassade aus Sandstein von dem benachbarten Muggia wird dominiert von einer großen, gotischen Fensterrosette aus weißem Karstmarmor. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_von_Triest).

Das Kastell von San Giusto ist die mittelalterliche Burg und Festung von Triest. Neben der Kathedrale von San Giusto stellt es eines der Wahrzeichen von Triest dar. Mit ihrer fast 200-jährigen Bauzeit (1471 bis 1630) ist die Burg ein Zeugnis für den Wandel und die Entwicklung der Bautechnik bei Gebäuden mit militärischer Funktion. Das Castello di San Giusto befindet sich auf dem gleichnamigen Stadthügel, dem antiken Zentrum von Triest. In der Festung residierte seit der Erbauung 1471 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Hauptmann bzw. Statthalter (Capitano), der vom Kaiser ernannt wurde und die Kontrolle über die Stadt Triest hielt. Später wurde das Kastell als Kaserne genutzt. Trotz des mächtigen Aussehens war die Festung militärisch immer von geringer Bedeutung und nur zweimal in wirkliche Kriegsaktionen verwickelt: 1813 verschanzten sich französische Truppen in der Festung und leisteten Widerstand gegen die österreichische Wehrmacht, die die Stadt später befreite. Im April und Mai 1945 verbarrikadierten sich im Inneren der Burg deutsche Soldaten, die schließlich von alliierten Truppen besiegt wurden.Seit den 1930er Jahren ist die Burg im Besitz der Gemeinde Triest. Heute dient das Castello di San Giusto als Schloss- und Waffenmuseum (Museo del Castello di San Giusto e l’Armeria) und wird als Ort für Ausstellungen, Theateraufführungen, Konzerte und andere kulturelle Ereignisse genutzt (https://de.wikipedia.org/wiki/Castello_di_San_Giusto).

Die Piazza dell’Untià d’Italia versprüht maritimen Flair und man könnte Stunden dort verbringen und alleine über diesen Platz mit seinen ehrwürdigen und geschichtsträchtigen Gebäuden und Denkmälern Seiten füllen. Ich nehme mir zehn Minuten zur Besichtigung und starte danach meine durchaus ambitionierte Tour auf der Viale Miramare.

Auf der Höhe des Bahnhofs hänge ich mich in den Windschatten einer an mir vorbeiziehenden Rennradfahrerin. Ihre Wadeln sind durchtrainiert und sie fährt ein gutes Tempo. Ich wittere eine potentielle Gesprächsmöglichkeit und „hänge mich rein“. Beim Versuch sie während der Fahrt anzusprechen verursache ich beinahe einen Unfall, weil sie zu mir zurückschaut und ins Schlängeln kommt… Bei der nächsten roten Ampel nutze ich dann die Gelegenheit. Die sportliche „Ciclista“ ist freundlich und gesprächsbereit. Wir biegen nach rechts ab und halten an einem ruhigen Platz in der Nähe des Leuchtturms von Triest, dem Faro della Vittoria.

Micaela erzählt mir, dass sie früher bei sehr vielen Radrennen teilgenommen hat und im Jahr 20 000 km gefahren ist. Heute macht sie noch immer bei manchen Rennen, vor allem bei Bergrennen, mit, trainiert aber nicht mehr so viel wie früher. Micaela kommt ursprünglich aus Vicenza, hat eine Dolmetscherausbildung in Triest absolviert und ist heute Lehrerin für Spanisch an einer triestiner Schule.

Nach der netten Begegnung mit Micaela sehe ich mir den bei Wassersportlern und Sonnenanbetern beliebten Vorort Barcola an, der seinen Namen der beliebten Segelregatta „Barcolana“ geliehen hat, die seit 1969 immer am zweiten Sonntag im Oktober stattfindet (https://www.discover-trieste.it/code/23044/Barcola).

Segelregatta „Barcolana“, Bildquelle: https://floatmagazin.de/orte/startnummer-1-352-bei-der-barcolana-2018/

Barcola

Barcola liegt zwischen dem Vorort Miramare und dem Triestiner Stadtteil Roiano am Rand des Karsthochplateaus des Triestiner Küstenlandes.

Zur Zeit des Römischen Imperiums befand sich auf dem Gebiet von Barcola ein Fischerdorf namens Vallicula („kleines Tal“). Überreste von reich geschmückten römischen Villen samt Wellnesseinrichtungen, Pier und weitläufigen Gärten lassen vermuten, dass Barcola bereits bei den Römern auch wegen seines günstigen Mikroklimas, da direkt am Meer liegend und vor der Bora geschützt, schon ein beliebter Erholungs- bzw. Nobelort war. An den Hängen wurden damals die Reben des Weines Pulcino („Vinum Pucinum“ – heute allenfalls „Prosecco“) angebaut (https://de.wikipedia.org/wiki/Barcola).

Seit der Besiedelung befassen sich die Einheimischen wegen der Lage am Golf von Triest mit der Fischerei. Die Sardellen aus Barcola, die nur bei Scirocco auftreten, sind besonders nachgefragt und gelten als die besten der Welt (https://de.wikipedia.org/wiki/Barcola).

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Barcola die Überreste einer prunkvollen römischen Villa am Meer entdeckt. Dieser heute als Villa Maritima von Barcola bezeichnete Gebäudekomplex mit einer ersten Bauphase in der zweiten Hälfte des 1. Jhd. vor Chr. erstreckte sich an der Küste und gliederte sich in Terrassen in einen Repräsentationsbereich in dem Luxus und Macht zur Schau gestellt wurde, einen separaten Wohnbereich, einen Garten, einige zum Meer offene Einrichtungen und eine Therme. Erweiterungen und Umbauarbeiten lassen sich bis in die zweite Hälfte des 1. Jh. nach Chr. datieren. Die gefundenen Kunstwerke und Mosaike befinden sich heute im Museum Lapidario Tergestino im Kastell San Giusto, wobei vergleichbare Werke bisher nur in Rom und Kampanien zu finden sind (https://de.wikipedia.org/wiki/Barcola).

Die Fischerei und der Anbau von Wein und Oliven dominierte die Gegend bis ins 19. Jahrhundert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen die Triestiner zunehmend ihre Sommerresidenzen in der Ansiedlung zu bauen. Am Ende des 19. Jahrhunderts nahm Barcola zunehmend die Züge eines Erholungsgebietes an und es gab Gasthäuser und Weinstuben mit Laubengärten und Blick auf das Meer (https://de.wikipedia.org/wiki/Barcola).

Über die extrem steile, teilweise gepflasterte Straße „Salita di contovello“ erreiche ich das Karsthochplateau des Triestiner Küstenlandes und genieße den atemberaubenden Ausblick auf den Golf von Triest.

Ich erreiche das verschlafene Örtchen Prosecco, von dem ich mir allerdings mehr erwartet habe. Der Campanile ist aber wunderschön und vermutlich aus dem Karstgestein der Umgebung gebaut.

Über die Ortschaften Aurisina Santa Croce, Aurisina und Sistiana geht es auf einer schwach befahrenen Straße flott bis Duino, wo ich nach erst 30 zurückgelegten Kilometern erstmal eine Pause einlege.

In Duino suche ich bewusst ein unscheinbares, von Touristen gemiedenes Lokal und stoße auf die Bar Mickey Mouse direkt an der Hauptstraße. Die sympathische Besitzerin der Bar, Viviana, 63 aus Trieste erzählt mir ausführlich von Weinanbau und Geschichte der Region, sowie den Schwierigkeiten im Geschäft in Corona-Zeiten. Eigentlich ist sie Restauratorin und arbeitet nebenbei in der Bar, die sie mit ihrem Mann gemeinsam führt. Neben ihrer Arbeit bleibt nicht viel Zeit für die schönen Dinge des Lebens…

Über die an diesem Samstag verkehrsschwache und mit schönem Asphalt versehene Via Cesare Augusto Colombo erreiche ich Monfalcone und bin sehr positiv von dem beschaulichen Stadtzentrum überrascht.


Monfalcone

Monfalcone (deutsch veraltet Falkenberg) ist eine Stadt mit 28.816 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2019) in der Region Friaul-Julisch Venetien. Die Stadt war bis 1797 venezianisch, dann mit Unterbrechungen habsburgisch bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Seit dem Jahr 1908 haben sich in der Stadt große Werften angesiedelt, die Monfalcone als Stadt der Werften bekannt machten. Eine der ersten war die Werft Cantiere Navale Triestino, die unter anderem für die Austro-Americana herstellte. Die Firma Fincantieri baut in Monfalcone vorwiegend Kreuzfahrtschiffe, die zu den größten der Welt zählen. Während des Ersten Weltkriegs kam es im Zuge der Isonzo-Schlachten, bei denen hunderttausende italienische und österreichische Soldaten starben, auch zu Gefechten in Monfalcone. Die Werftanlagen wurden dabei vollständig zerstört (https://de.wikipedia.org/wiki/Monfalcone).

Über die Ortschaften Staranzano und San Canzian d’Isonzo komme ich zur Via Cesare Battisti, die in einer breiten Brücke über den Isonzo führt. Gerne würde ich mich auch, wie einige Einheimische in die Fluten stürzen, aber ich finde nicht sofort eine Zufahrtsstraße zum Flussbett und möchte nicht unnötig Zeit verlieren. Daher trete ich weiter…

Brücke über den Isonzo

An dieser Stelle nach der Brücke hätte ich mir ein Gravel-Bike gewünscht, denn der Straße entlang zu fahren ist zwar schnell, aber ziemlich monoton. Diese Abzweigung wäre eine schöne Möglichkeit, um einen Abstecher nach Grado auf einem Schotterweg zu machen. Beim nächsten Mal dann, nehme ich mir vor…

Auf scheinbar endlos geraden Straßen mit Gott sei Dank wenig Verkehr und mehreren schmucklosen Kreisverkehren gelange ich nach Cervignano, wo ich teilweise auch wieder Radwege benutzen kann.


Cervignano

Von Cervignano fahre ich, mit Ausnahme der Kreisverkehre, schnurgerade auf perfektem Asphalt bis San Giorgio di Nogaro. Die Vegetation ändert sich nur sporadisch von Pappelhainen zu Getreidefeldern und wieder zurück zu Pappelhainen.

San Giorgio di Nogaro

Willkommene Abwechslung zur doch eher faden, aber deshalb auch meditativen Strecke: Die Ortschaft San Giorgio di Nogaro.

Eindrücke vom Streckenabschnitt San Giorgio di Nogaro bis Latisana:

Die Gegend zwischen Latisana und Caorle ist von intensiver Landwirtschaft geprägt. Es handelt sich nicht mehr um kleinbäuerliche Strukturen, sondern um große Industriebetriebe, die Tonnen von Gemüse mit riesengroßen LKWs zur Weiterverarbeitung transportieren.

Je näher ich in Richtung Caorle komme, desto dichter wird der Verkehr. Leider ist die Straße auch recht schmal, was mir die Freude am Fahren ein wenig nimmt. Die letzten 15 – 20 Kilometer vor Caorle kann ich leider nicht weiter empfehlen, denn es war einfach nur mühsam zwischen Autos, LKWs und Riesen-Traktoren. Nichts hab ich während der Fahrt mehr herbeigesehnt als dieses Ortsschild! Ich muss zugeben, ich war nach diesen 113 Kilometern ziemlich am Ende, was man an meinem Gesichtsausdruck, denke ich, gut ablesen kann.

An diesem Wochenende, das erste nach den Sommerferien, war richtig viel los in Caorle und erst das dritte Hotel hatte für mich ein Zimmer frei. Es war wieder das Hotel Negretto! Welch Glück!!

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2 Antworten

  1. Evi sagt:

    Du Sportkanone, ein Wahnsinn!!!
    Tolle Eindrücke!!!

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