2. Tag: Senigallia – Loreto, 73 km, 1080 Hm

Der Tag beginnt zeitig um 6:00 Uhr mit einem herrlichen Sonnenaufgang über der Adria. Meine schnuddelige Dachterrasse eignet sich hervorragend für ein paar Fotos. Das Minizimmer ohne direktem Zugang zu dieser Terrasse kostet 71 €.

Nicht weit vom Hotel entfernt befindet sich die Piazza della Libertá, wo ich im Vorbeifahren einen Mann beobachte, der kniend Steine ordnet. Francesco (51), Gärtner aus Senigallia ändert jeden Tag das Datum des äußerst gelungenen Steinarrangements auf der Kreisverkehrinsel. Er ist sehr sympathisch und erzählt mir offenherzig, dass bei der Fussball – EM 2021, als Italien gegen England als Sieger hervorging, kein Stein auf dem anderen blieb. Ganz Senigallia war auf der Straße und feierte den Erfolg. Sein Meisterwerk war komplett zerstört und er musste die ganze Schrift erneuern.

Rotonda a Mare in Senigallia

Nach der netten Begegnung mit Francesco radle ich schnell weiter, denn gerade ist es noch windstill und die Temperatur auch recht angenehm.

Bis Marina di Monte Marciano verläuft der diesmal rote Radweg relativ monoton immer dem Strand und der Straße entlang. Es gibt schlimmere Szenarien und da kein Wind weht, bin ich überglücklich. Es gibt Abschnitte, wo der Radweg unterbrochen ist und man auf der verkehrsarmen Straße fahren muss.

Bei einem alten Fabriksgebäude ist die ruhige Via Lungomare Leonardo da Vinci zu Ende. Um der Strada Statale 16 zu entgehen, versuche ich einen auf Komoot grau eingezeichneten Weg zu nehmen, der zunächst noch befahrbar ist, nach einiger Zeit allerdings nicht mehr… Ich bin gezwungen umzukehren, schiebe den ganzen Weg wieder zurück und begebe mich widerwillig auf die Hauptstraße.

Die Strada Statale 16 Adriatica ist zwar stark befahren, hat aber einen ziemlich breiten Seitenstreifen, wo man sich mit dem Rad relativ sicher fühlt.

Strada Statale 16

Bei einer Brücke über den Esino verdichtet sich der Verkehr und ich bemerke, dass ich von meiner Route abgekommen bin. Etwas verzweifelt schiebe ich mein Rad auf dem schmalen Gehweg zurück bis zur versäumten Abzweigung.

Autobrücke über den Esino

Der richtige Weg führt Gott sei Dank über eine viel schönere Fußgänger- bzw. Radfahrerbrücke…

Bis Falconara Marittima verläuft meine Route über verkehrsreiche Provinzstraßen. In dem eher tristen Städtchen entschließe ich mich einen relativ weiten Umweg mit etlichen Höhenmetern über das Landesinnere bis nach Ancona in Kauf zu nehmen, um diesem Tohuwabohu zu entkommen. In Falconara Marittima geht es daher erst einmal extrem steil bergauf, was auf den Fotos nicht so gut zu erkennen ist…

Abstecher ins Landesinnere sind immer lohnende Erlebnisse! Man hat schöne Ausblicke aufs Meer (hier in Richtung Ancona) und abwechslungsreiche Landschaften, wie dieses Sonnenblumenfeld, das sich für ein Foto-Shooting hervorragend eignet, finde ich.

Der Weg bis Ancona ist sehr abwechslungsreich und eröffnet immer wieder tolle Ausblicke…

Ancona

  • Hauptstadt der Region Marken und der Provinz Ancona
  • Geografische Lage: an der Adriaküste, zwischen den Höhenzügen des Monte Conero, des Monte Astagno, auf dem die Zitadelle der Stadt liegt, und Monte Guasco, auf dem der Dom von Ancona steht.
  • Höhe über dem Meeresspiegel: 16 m
  • Einwohner: 99.000
  • Ausländer mit Wohnsitz in Ancona: 14.000 (14,1% der Gesamtbevölkerung)
  • Universität von Ancona: ca. 16.000 Studenten
  • Wirtschaft: der Hafen, die Schiffswerften und die damit verbundenen Infrastrukturen und Dienstleistungen, Tourismus (an den Stränden der nahegelegenen Stadt Portonovo)
  • lokaler Feiertag: 4. Mai (Fest des Stadtpatrons Ciriaco di Gerusalemme)
  • Autokennzeichen: AN (Quelle: https://www.reise-nach-italien.de/ancona.html)

Die fast 800 km lange Adriaküste zwischen Grado im Nordosten und der Gargano-Halbinsel im Süden Italiens besteht fast überwiegend – zur großen Freude der Urlauber – aus einladenden Stränden. Nur zwei Orte sind auf diesem langen Abschnitt des italienischen Stiefels als Häfen für größere Schiffe geeignet: Venedig mit seiner Lagune und Ancona, wo der Monte Cònero, ein bis zu 570 m hoher Ausläufer des Apennin bis ans Meer heranreicht. Schon die Griechen benutzten den Ort als Hafen und die Römer bauten ihn dann als Flottenstützpunkt aus. Noch heute beruht die Wirtschaftskraft und der Charakter der Stadt auf dem Schiffsverkehr: von hier aus gibt es Fährverbindungen nach Venedig, Kroatien, Albanien Griechenland und in die Türkei. Auch als Anlaufpunkt für Keuzfahrtschiffe ist Ancona in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Leider ist von den vielen historischen Stätten aus der römischen Zeit, wie auch aus der Blütezeit von Ancona zwischen dem 10. und dem 14. Jahrhundert, als die Stadt ein unabhängige Republik war, heute nicht mehr viel vorhanden: die Bombardierungen der Allierten im zweiten Weltkrieg haben die Stadt zu drei Vierteln zerstört, weitere nicht reparierbare Schäden hat ein Erdbeben im Jahr 1972 verursacht, so dass Ancona heute ein überwiegend modernes Gesicht hat. Dennoch gibt es hier einige wirklich sehenswerte Stätten, die den Besuch der Stadt lohnenswert machen (https://www.reise-nach-italien.de/ancona.html).

Ancona ist eine zwischen und auf Hügeln erbaute Stadt mit viel Verkehr, Hektik und Straßenlärm. Das Viertel zwischen Bahnhof und Hafen wird von zahlreichen Immigranten bevölkert und ich trete in die Pedalen, um schnell daran vorbei zu kommen.

Das sollte man in Ancona gesehen haben:

  • den Triumphbogen des Papstes Clemens XII (Arco di Clementino, erbaut 1738), dahinter derTrajansbogen (Arco di Traiano, aus dem Jahr 115 n.Chr.), beide im Hafengebiet gelegen
  • die Kathedrale San Ciriaco, auf dem Monte Guasco, oberhalb der Stadt, eine der interessantesten romanischen Kirchen Italiens, mit einer byzantinisch beeinflussten Kuppel und einem gotischen Portal, erbaut zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert
  • die Kirche Santa Maria della Piazza  (11.-12. Jahrhundert)
  • die drei Hauptplätze der Stadt: Piazza della RepubblicaPiazza del Plebiscito und die Piazza San Francesco
  • das Erholungsgebiet des Regionalparks Parco del Cònero (wenige km südlich der Stadt), mit gut ausgebauten Wander- und Radwegen
  • 10-25 km südlich von Ancona: die Strände in der Umgebung der Badeorte PortonovoSirolo und Numana

Die zwei Bögen hab ich leider versäumt, daher hier ein Foto aus dem Internet…

Triumphbogen des Papstes Clemens XII, dahinter der Trajansbogen und die Kathedrale San Ciriaco (Quelle: https://www.reise-nach-italien.de/ancona.html)

Um zur Kathedrale San Ciriaco am Colle Guasco (72 Hm) zu gelangen, muss man einige steile Serpentinen in Kauf nehmen, aber als Belohnung genießt man eine atemberaubende Sicht über das Hafengebiet und die umliegende Hügellandschaft. Als ich oben ankomme, versammelt sich gerade eine Hochzeitsgesellschaft vor der Kathedrale und es dauert nicht lange und die Braut kommt mit einem Oldtimer unter Gehupe und Gejohle angefahren… Den Einzug in die Kirche mit Live-Musik lasse ich mir natürlich nicht entgehen und spähe durch den Seiteneingang hinein. Dabei drücke ich ein paar „Zachalan“, weil ich mir vorstelle, wie es sein wird, wenn meine Kinder einmal heiraten werden…

Vom Colle Guasco geht es runter in die Altstadt von Ancona, die eigentlich als solche nicht mehr vorhanden ist. Die einzelnen Bruchstücke davon müsste man suchen und dafür fehlt mir die Energie bei der Affenhitze. Ich bevorzuge eine kleine Shopping-Tour durch den klimatisierten Zara (leider erfolglos) und lege danach eine gemütliche Mittagspause in einem Restaurant ein. Entspannt und ausgeruht führt mich mein Navi über die Piazza di Cavour bis zur Piazza IV Novembre im Nordosten der Stadt.

Von der Piazza IV Novembre geht es wieder mal bergauf auf den Monte Santa Margherita (123 Hm) und von dort zum Colle Altavilla (195 Hm). Dies sind die Vorläufer des Parco Regionale Naturale del Conero, der sich südöstlich der Stadt erstreckt.

In dem kleinen Dorf Altavilla kaufe ich mir in einer kleinen Bar zwei Flaschen Wasser und lerne Costanza, 51 aus Süditalien kennen. Sie ist Halbdeutsche und Halbitalienerin und war sogar schon mal in Villach, spricht aber kein Deutsch. Sie wohnt in Ancona und ist äußerst mitteilungsbedürftig, allerdings durch Maske und Plexiglaswand verstehe ich sie nur bruchstückhaft. Dennoch unterhalten wir uns eine ganze Weile. Ich reime mir ihre Geschichten ein wenig zusammen, sodass ein logisches Gesamtbild entsteht. Für ein Foto kann ich sie leicht gewinnen, sie freut sich sogar sehr, Teil meines Blogs werden zu dürfen.

Costanza (51) aus Ancona

Bis zum Kreisverkehr bei Poggio überwinde ich einige Höhenmeter durch den Parco Regionale Naturale del Conero und mache Halt bei einer schönen Aussichtsplattform mit herrlichem Blick auf den Strand Mezzavalle, der sich zwischen Ancona und Portonovo erstreckt. Am linken Bild wird eine geologisch interessante Formation erklärt. „Il Trave“ scheint eine künstlich angelegte Mole zu sein, die in Begriff ist zu versinken. Allerdings handelt es sich dabei um eine natürliche Erscheinung, die durch Plattentektonik entstanden ist und einen Kilometer, zum Großteil unter dem Wasserspiegel ins Meer ragt.

Von Poggio sind es noch einige Kilometer und Höhenmeter bis Sirolo. Die kurvige Straße ist schön zu fahren, aber ich bin schon ein wenig erschöpft. Deshalb beschließe ich in Sirolo nach kurzer Besichtigung der entzückenden Stadt einen der angeblich schönsten Strände der Gegend zu besuchen und fahre die extrem steile Zufahrtsstraße zur Spiaggia Urbani hinunter und frage mich währenddessen, wie ich da mit meinem schweren Gepäck jemals wieder hoch kommen soll… Der Strand mit Blick zum Monte Conero wäre tatsächlich eine Perle in der Adria, wären da nicht tausende Menschen und Sonnenschirme. Die Wasserqualität mit Badewannentemperatur ist auch nicht mehr die beste und so verweile ich nicht allzu lange im Meer…

Bevor ich ins Wasser hüpfe, spreche ich allerdings Carlo (75) aus Bologna an und frage ihn, wo man sich hier umziehen kann. Er weist mir den Weg, doch Antonietta bietet mir ihre „Grotta“ als Umkleidekabine an. Sehr freundlich, finde ich, und ich nehme das Angebot natürlich an. So kommen wir ins Gespräch und die netten Vier erklären mir, dass die „Grotte“ ursprünglich Munitionslager im 2. Weltkrieg waren und heute als Lagerräumlichkeiten oder Strandunterkünfte an Privatpersonen verkauft bzw. vermietet werden. Es handelt sich um in den Fels gehauene Höhlen. Moreno und Antonietta haben ihre „Grotta“ gekauft, Carlo und Navia gemietet. Letztere haben an einer Versteigerung teilgenommen und den besten Preis geboten. So verbringen die beiden Paare viele Tage im Sommer gemeinsam in der Bucht. Stolz zeigen sie mir ihre Innenraumgestaltung und stellen sich bereitwillig für ein Foto für meinem Blog zur Verfügung.

Wer den Conero-Nationalpark besucht, der kommt an dem Städtchen Sirolo nicht vorbei. Hier befindet sich das Centro Visite, das Besucherzentrum des Naturparks. Doch auch sonst ist die hübsche, mittelalterliche Ortschaft unbedingt einen Besuch wert. In exponierter Lage, hoch auf den Klippen gelegen, bietet Sirolo dem Besucher einen unvergesslichen Ausblick, weit über das Adriatische Meer, aber auch landeinwärts, über die grünen Hügel des Conero-Parks (https://www.italien.de/staedte/sirolo).

An kaum einem anderen Ort der Adria ist das Meer so klar wie hier, an der Küste Sirolos. Nicht ohne Grund wurden die wunderbaren Strände der Gegend schon mehrfach mit der Blauen Flagge, der Bandiera Blu, ausgezeichnet. Die Strände Sassi Neri, mit seinen schwarzen Felsen, und San Michele sind für ihr intensivblaues Wasser bekannt. Die Spiaggia Urbani zieht durch ihre ins Meer abfallenden weißen Felsen und eine faszinierende natürliche Grotte ebenfalls viele Urlauber an. Auf dem Wasserweg gelangt man zu den nahe gelegenen Due Sorelle (zwei Schwestern), einem Strand, der seinen Namen zwei aus dem Wasser aufragenden weißen Klippen verdankt. Gleich daneben liegt die Spiaggia dei Gabbiani (Strand der Möwen) mit der geheimnisumwitterten Höhle „Grotta degli Schiavi“, in der sich einst sarazenische Seefahrer aufgehalten haben sollen (https://www.italien.de/staedte/sirolo).

Der Conero Park ist vor allem bei Wanderern, Mountainbikern und Naturliebhabern populär. Seine Pfade führen durch Steineichenwald, Pinien und Ginster. Vogelbeobachter können hier einen Blick auf so machen seltenen Greifvogel erhaschen (https://www.italien.de/staedte/sirolo).

Der Spaziergang durch die historischen Gassen der Altstadt führt an kleinen Läden, Restaurants und Cafes vorbei. Den Mittelpunkt bildet die Piazzetta von Sirolo. Von hier aus genießt man einen besonders schönen Ausblick auf Berge und Meer. Von der ehemaligen Burgfestung aus dem 7. Jahrhundert sind nur noch wenige Gebäudeteile und zwei Türme erhalten, von denen einer als der Torrione bekannt ist. Einen Besuch wert ist auch die Kirche Chiesa della Madonna Rosario, deren Wände mit prächtigen Fresken aus dem 16. Jahrhudert verziert sind (https://www.italien.de/staedte/sirolo).

Nachdem in Sirolo alle Unterkünfte ausgebucht sind, buche ich zur Sicherheit ein Hotelzimmer in Porto Recanati, etwa 10 km südlich von Sirolo. Auf den Schock hin setze ich mich vorerst in ein Lokal an der schönen Piazzetta. Als ich amüsiert die vorbei schlendernden Leute beobachte und mich über die teils äußerst freizügigen Outfits jüngerer Damen wundere, spricht mich Sergio (66) mit „Di dov’è questa ciclista simpatica?“ („Woher kommt diese sympathische Radfahrerin?“) an. Er setzt sich für ein kurzes „Plauscherl“ (=nettes Gespräch) neben mich und erzählt mir, dass er Mechaniker für verschiedene Amateur-Radgruppen war und teilweise noch ist. Sergio ist superfit und absolviert mit dem Rad 16 000 km im Jahr. Er bewundert mich, dass ich alleine und ohne E-Motor unterwegs bin! So schnell wie er da war verschwindet Sergio wieder und auch das macht ihn sympathisch…

Kurz vor Sonnenuntergang schwinge ich mich in den Sattel und begebe mich auf meine letzten 10 km bis nach Porto Recanati, wo ich ja das Hotelzimmer um 60€ gebucht habe. Am Weg erspähe ich jedoch im Landesinneren die riesige Kuppel einer Basilika. Ich google und staune… Loreto, der wichtigste katholische Wallfahrtsort nach Rom in ganz Italien. Da muss ich hin, ist mein erster Impuls und auf das Bauchgefühl sollte man ja bekanntlich immer hören… Also nix wie hin! Ich pfeife auf das Hotelzimmer und die 60€ und verlasse mich mal auf die göttliche Fügung, dass es an einem heiligen Ort bestimmt eine Unterkunft für mich geben wird… Der Weg ist länger als 10 km und der letzte Anstieg EXTREM steil!!! Bei Dunkelheit treffe ich in Loreto ein und habe Glück! Im Hotel „Domus Pacis“ ist noch ein Zimmer für mich frei! Ich bin soooo dankbar und schicke ganz viele Dankgebete für den wunderbaren Tag, für mein Glück und für die netten Begegnungen hinauf in den Himmel… Buona notte!

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