3. Tag: Bari – Locorotondo; 79 km, 650 Hm

Wir müssen früh aus den Federn, um der ärgsten Hitze zu entgehen… Das bescheidene Frühstück wird uns in Plastiksackerln verpackt vor unsere Zimmertüre gestellt.

Um 6:00 Uhr brechen wir auf und versäumen leider wieder den Sonnenaufgang. Die Straßen der Hauptstadt Apuliens sind um diese Tageszeit menschenleer und die Lufttemperatur beträgt 25 Grad. NOCH super angenehm zum Radeln…

Allerdings ist die Sonne schon ganz schön stark und der wolkenlose Himmel kündigt Backofentemperaturen am Nachmittag an… Wir radeln raus aus der Stadt, linker Hand das Meer …

Südöstlich von Bari fährt man zunächst am breiten Corso Trieste entlang, der später in die Strada Adriatica mündet. Teils gibt es eine abgetrennte Spur für Radfahrer. Beide Straßen sind breit und um diese Zeit ist wenig Verkehr. Man trifft sogar ein paar wenige Radfahrer an…

Eine schöne, von Palmen gesäumte Promenade gibt es in Mola di Bari, 20 Kilometer südöstlich von Bari.

Wir fahren schnurstracks in vollem Tempo weiter und überholen sogar ein Pferdefuhrwerk mit einem kurzen „Ciao!!“.

Weiter geht’s auf der „Litoranea Mola – Cozze“, wo es fast bis zum Kreisverkehr einen parallel verlaufenden Radweg gibt.

Nach dem Kreisverkehr heißt die verkehrsberuhigte Straße „Complanare Lato Mare“ und verläuft parallel zur „Strada Statale 16 Adriatica“, die hingegen sehr stark frequentiert ist. Wir kommen vorbei an einem Naturreservat namens „Ginepraio e Dune Fossili Lama di Turi“ und bestaunen die schöne Gegend mit den alten, teils verfallenen Trulli. Es gibt bestimmt wunderschöne Wanderwege entlang der Küste… Radwege sind auf der Karte keine eingezeichnet.

Wir nähern uns auf einem Panorama-Radweg der Stadt Polignano a Mare.

Am nordwestlichen Ende der Stadt machen wir einen Abstecher zur Cala Paura und zum gleichnamigen Strand, wo die „famiglia“ ihre Mittagsstunden verbringt. Auf der anderen Seite in Richtung Grottone vollführen die braun gebrannten „ragazzi“ waghalsige Sprünge von der betonierten Plattform… unter geheimer Beobachtung von hübschen „ragazze“…. (oberhalb vor dem weißen Haus stehend). Wir nehmen uns ein bisschen Zeit, um die unterhaltsame Szenerie zu beobachten.

Angekommen in Polignano a Mare „verscheuchen“ wir erst mal ein zukünftiges Brautpaar samt Fotografen am wahrscheinlich nachgefragtesten Fotospot der Stadt, der Lama Monachile. Wir hatten leider schlechte Lichtbedingungen, deshalb habe ich hier auch Fotos aus dem Internet hinzugefügt…

Wir machen zunächst einmal die Altstadt unsicher und sind entzückt, bzw. „schockverliebt“, wie Claudia sagen würde…

In der Altstadt gibt es mehrere Aussichtspunkte, von wo man auf das Meer, die Stadtbucht und die gegenüber liegenden Steilküsten blicken kann. Man müsste allerdings am Vormittag dort sein, um optimale Lichtbedingungen vorzufinden.

Ein Selfi mit meinem lieben Mann Harald…

Ich bin der Meinung, dass sich Polignano a Mare gut für einen Aktiv- und Entspannungsurlaub eignen würde. Selten möchte ich länger an einem Ort bleiben, aber Polignano a Mare wäre so ein Ort!

Leider habe ich zu spät gesehen, dass es aus der Stadt heraus in südöstlicher Richtung einen relativ langen und bestimmt sehenswerten Radweg am Meer geben würde. Daran anschließend bietet die Küste ein dichtes Netz an Wanderwegen, zahlreiche Grotten, sowie vier schmale Buchten zum Baden. Ein paar weitere Gründe, um noch einmal nach Apulien zu kommen!!!

Kommot führt uns auf die „Via Marina del Mondo“ mit einem schönen, zweispurigen Radweg. Kurz vor Monopoli halten wir bei der Cala Monaci (Mönchs-Bucht), um ein Foto zu schießen.

Hier gibt es eine Abkühlung der besonderen Art…

Wie gebadete Mäuse fahren wir zur malerischen, kleinen Marina von Monopoli…

Durch einen Rundbogen gelangt man von der Marina in die Altstadt. Allerdings wollen wir heute unser Tagesziel früher erreichen und so verzichte ich auf weitere Fotos. Motive gäbe es genug. Auch Monopoli ist ein nettes Städtchen, aber nicht ganz so bezaubernd wie Polignano a Mare.

Von Monopoli zweigen wir ins Landesinnere ab und bewegen uns geradlinig auf der „Strada Comunale Putta“ in Richtung Fasano.

Im Hintergrund sehen wir bereits die noch anstehenden 400 Höhenmeter der Kalkhochebene „Murge“, wo unser heutiges Ziel Locorotondo liegt. Es hat bereits weit über 30 Grad…

In Fasano legen wir vor dem Anstieg ins Val d’Itria unsere erste und einzige, etwas längere Pause ein. Ich lerne dazu: Während der Fahrt gilt absolutes Alkoholverbot!! Eh schon wissen, wegen der sonst drohenden Kopfschmerzen…

Das Valle d’Itria ist eine in der Mitte Apuliens gelegene Landschaft, die sich unter der Metropolitanstadt Bari, sowie den Provinzen Brindisi und Tarent aufteilt. Sie fällt mit dem südlichen Teil der Kalkhochebene Murge zusammen und erstreckt sich im Wesentlichen über die Gemeinden Locorotondo, Cisternino und Martina Franca, sowie in kleinen Teilen über die Ortschaften Alberobello, Ostuni und Ceglie Messapica. Bekannt ist das Valle d’Itria als „Tal der Trulli“, das heißt den traditionellen Rundhäusern. Die Flora ist durch Olivenhaine sowie Weinberge geprägt, aus denen die Weißweine Locorotondo DOC und der Martina Franca DOC gewonnen werden. Das Festival della Valle d’Itria in Martina Franca ist nach der Landschaft benannt (https://de.wikipedia.org/wiki/Valle_d’Itria).

Fasano ist ein ziemliches Kaff im Landesinneren und wir wundern uns, dass Justin Timberlake angeblich hier in der Gegend geheiratet haben soll… Borgo Ignazia, so heißt das künstlich angelegte *****Luxus-Resort, das sich nordöstlich von Fasano am Meer befindet, wo die Hochzeit 2012 stattgefunden hat.

Ab jetzt beginnt es zach zu werden und auch der Verkehr nimmt auf der „Strada Statale 172 dei Trulli“ zu. Je höher wir kommen, desto schmaler wird der Platz für Radfahrer. Die Autos fahren aber relativ gesittet an uns vorbei. Weiter oben haben wir wieder mal Glück: Wegen einer Ampel staut sich der Verkehr und wir können problemlos rechts überholen.

Bei der Ampel könnte man geradeaus die „Dirittissima“ nach Locorotondo (unser heutiges Ziel) nehmen, oder aber, den Temperaturen trotzend, einen Abstecher nach Selva di Fasano wagen. Wir sehen ein braunes Schild mit der Aufschrift „Selva di Fasano“ und haben keinen Plan, ob es sich um eine Ortschaft, einen Naturpark oder sonstwas handelt… Braune Schilder kündigen aber immer etwas Sehenswertes an, also entscheiden wir uns, dort hin zu fahren. Vorher frage ich noch einen Lastwagenfahrer, ob es sich lohnt, die zusätzlichen Höhenmeter in Kauf zu nehmen. Er meint, wir sollen es uns ansehen…

Schon bei der Auffahrt wird unsere Anstrengung mit herrlichen Aus- und Einblicken über Trulli-Dächer und in gepflegte Einfahrten und Gärten belohnt.

Trulli sind Kraggewölbebauten aus Trockenmauerwerk und werden ohne Mörtel errichtet. Die schuppenartigen dunklen Bruchsteindächer geben dem weiß getünchten Trullo, der ursprünglich in den Feldern und nicht im Ort stand, sein charakteristisches Aussehen. Durch ihre Bauweise aus massivem Naturstein mit sehr dicken Wänden und winzigen Fenstern bieten die Trulli einen guten Schutz gegen die anhaltende Sommerhitze in Apulien, weil sich das Innere nur langsam aufheizt. Im Winter hingegen speichert ein Trullo für lange Zeit die Wärme, die durch einen offenen Kamin erzeugt wird. Die bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts vergessenen „Arme-Leute-Häuser“ erlebten seither eine Renaissance; einige werden mittlerweile auch als Ferienwohnungen angeboten. In Alberobello existiert ein weiträumiges geschlossenes Viertel, das gänzlich mit Trulli bebaut ist. Dieses zählt seit 1996 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Auch in den Nachbargemeinden der Region sind Trulli sehr verbreitet und werden, oft aneinander gereiht und miteinander verbunden, als Wohnhäuser genutzt. In Apulien und auf Sizilien gibt es rustikale Steinbauten ohne Spitzdach, die Pagghiara (plur. Pagghiari), die als Hirtenhütten fungieren. Im 17. Jahrhundert begann man diese Häuser im Auftrag des Grafen Giangirolamo II. Acquaviva d’Aragona zu bauen. Da dieser keine Steuern an die Regierung zahlen wollte, forderte er von den Bauern, ihre Häuser ohne Zement und Mörtel zu bauen, sondern nur aus Stein. So konnten sie im Falle einer königlichen Inspektion die Steinhäuser ganz einfach abbauen und später leicht wieder errichten (https://de.wikipedia.org/wiki/Trullo).

Selva di Fasano übertrifft unsere Erwartungen, denn es handelt sich um ein Trulli-Dorf der Luxus-Klasse und wir lassen unsere Räder durch die von Pinien gesäumten Gassen rollen und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine Trullo-Villa ist schöner als die andere. Das Dorf besitzt sogar eine Kirche in Form eines Trullos.

Der Weg nach Locorotondo verläuft noch einige Kilometer auf der nun ruhigeren „Strada Statale 172 dei Trulli“. Cirka zwei Kilometer vor Locorotondo müssen wir links abzweigen, um zu unserer Unterkunft zu gelangen, die wir zur Sicherheit schon Wochen im Voraus gebucht haben. Wir wollten unbedingt einmal in einem für die Gegend typischen Trullo übernachten.

Um bereits 15:00 Uhr treffen wir in unserem Leonardo Trulli Ressort im Valle d’Itria ein. Rosalba, 49, die Eigentümerin des traumhaften Anwesens, begrüßt uns überschwänglich und zeigt uns das Trullo, in dem wir die kommende Nacht verbringen dürfen.

Unser Trullo besteht aus einem Schlafraum mit winzigem Fenster und dekorativem Holzbalken über dem Bett, einem Vorraum mit Teeküche und einem schmucken Badezimmer. Die Handtücher sind mit einem „L“ für Leonardo bestickt und umhäkelt.

Nachdem wir uns eingerichtet, alles inspiziert, uns geduscht und kultiviert haben, gibt es apulische Schmankerln mit einem leckeren Aperolspritzer. Wir befinden uns scheinbar im Paradies und können unser Glück garnicht richtig fassen. Mit Wohlbehagen freuen wir uns über diese genialen Umstände.

Das Leonardo Trulli Resort hat seinen Namen von Rosalbas Großcousin, der die Immobilie seinem Cousin, also dem Vater von Rosalba vererbt hat. Leonardo verwendete die Trulli ursprünglich als Stallungen für Esel und Schafe. Rosalba hatte die Idee zum Umbau und für die touristische Nutzung. Ihr Vater ließ sie gewähren und vermachte der Tochter das Anwesen, das Rosalba in ein Schmuckstück der besonderen Art verwandelte und ihm den Namen „Leonardo“ verlieh. Die arbeitsame Rosalba ist seit vier Jahren getrennt und „schupft“ den Laden komplett alleine. An ihrer Seite hüpft meist der aufgeweckte, 5-jährige Sohn Giovanni herum.

In Anbetracht der traumhaften Gegebenheiten vor Ort verwerfen wir unseren ursprünglichen Plan und fahren fürs Abendessen nicht mehr nach Locorotondo, sondern bleiben im Resort und genießen den Abend hier in vollen Zügen.

Das Abendmenü ist eine Gaumenfreude mit Zutaten aus Rosalbas Gemüsegarten und ungewöhnlichen Geschmackskombinationen. Während wir das Treiben der 40-köpfigen Geburtstagsgesellschaft beobachten, fröstelt es uns zum ersten, aber auch letzten Mal in diesem Urlaub. Damit haben wir eigentlich nicht gerechnet… Müde und zufrieden wärmen wir uns in unserem Trullo wieder auf und freuen uns auf langes Ausschlafen!!

BUONA NOTTE!!!

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