Der Tag beginnt etwas stressig… Wir treffen uns mit Angelo um 5:45 Uhr zur Schlüsselübergabe und ich hetze zum Sonnenaufgang in die Altstadt von Ostuni. Schnauf!!





Harald vergisst sein Handy in Angelos Wohnung und muss nochmal zurück… Währenddessen werden Fotos von der weißen Stadt geschossen… Uneinigkeiten wegen Treffpunkt. Miese Stimmung. Die Schuldfrage wird aber beim meditativen Treten aufgelöst.




Durch endlose Olivenhaine und an Trockenmauern vorbei, fahren wir in östlicher Richtung etwa 20 km zum Meer. Die Temperatur ist noch sehr angenehm und wir haben die Straßen für uns alleine…
Ostuni hat neben ihrem Beinamen „Cittá Bianca“ noch einen weiteren, nämlich „la regina degli ulivi, die Königin der Olivenbäume“. Eine immense Fläche rötlicher Erde voller Olivenbäume erstreckt sich rund um die Hügel von Ostuni. 40 Prozent der italienischen Olivenölproduktion stammen aus Apulien (https://www.welt.de/reise/nah/article143825196/In-Ostuni-auf-der-Suche-nach-dem-besten-Olivenoel.html).





Der Naturpark Torre Guaceto ist laut Claudia wunderschön und wir statten ihm einen Besuch ab. Für Wanderer ist das Gebiet bestimmt herrlich, aber mit dem Rad zu beschwerlich aufgrund der vorwiegend vorherrschenden Sandpisten… Das wollen wir uns diesmal nicht antun! (Dejavu – siehe Etappe 6, 2. Tag, Lago di Lesina…)
Bei „Torre Guaceto“ handelt es sich auf der einen Seite um einen der vielen Küstenwachtürme, die mehr oder weniger gut erhalten in Sichtweite voneinander die apulische Küste säumen und dazumal ein gutes Nachrichtensystem gebildet haben. Auf der anderen Seite jedoch handelt es sich hier um ein riesiges Naturschutzgebiet (https://meinapulien.wordpress.com/2018/11/17/wandern-und-baden-im-naturschutzgebiet-torre-guaceto/).

Gleich nach dem Strand beginnt die „Macchia“ – ein Gebiet mit niedrigen Büschen und einem sich inzwischen regenerierenden Bestand an kleinwüchsigen Bäumen. Seit Jahren arbeiten ein Verbund der anliegenden Gemeinden, die Fischer, die Slow Food Stiftung für Biodiversität und der WWF zusammen, um die Fischbestände vor allem in der Zone C zu stabilisieren. Außerdem schließen sich hinter den Dünen ein ausgedehntes Feuchtgebiet und die steppenähnliche Macchia an die Strände an, welche unzähligen Vogel- und Insektenarten eine Heimat bieten. Daher gibt es auch eine Vogel-Beobachtungsstation. Zu einem besonderen Erlebnis kann der Besuch der Schildkrötenauffangstation werden (ebd.).




Zum Schwimmen ist es uns noch zu früh, denn wir wollen so schnell wie möglich Kilometer machen… Es liegen noch 70 vor uns!!












Parallel zur Schnellstraße führt uns der Radweg aus dem „Riserva Naturale e Statale di Torre Guaceto“ hinaus.

Ein kurzer Abschnitt verläuft auf verlassenen Schotterpisten.


Noch vor der Überquerung des Canale Reale wechselt der Radweg durch eine Unterführung auf die andere Seite der Bundesstraße/Statale „Egnazia e delle Terme di Torre Cannes“ und wird zur schön asphaltierten, kurvenlosen Straße.


Fünf Kilometer vor Brindisi müssen wir nochmal die Seite wechseln, was mir aber erst später auffällt und wir leider einen Kilometer zurückfahren müssen. Wir bemerken erst jetzt, dass wir uns schon die längste Zeit über einen beachtlichen Rückenwind freuen müssten.


Wir nähern uns Brindisi mit dem westlichen Stadtteil namens „Paradiso“, der seinem Namen nicht ganz gerecht wird…

In dem eher ärmlich wirkenden Viertel schießen wir ein paar coole Fotos vor einer Hausmauer mit Graffiti und…




…wechseln einen Schlauch. Besser gesagt: ICH wechsle einen Schlauch und bin schon ganz schön schnell darin!! Harald steht mir mit kleinen Tipps zur Seite und ich bin wieder mal unendlich froh, dass er mit dabei ist, denn ohne ihn würde ich mich in dieser Siedlung nicht gerade wohl fühlen.



Brindisi ist eine äußerst sehenswerte Stadt mit einer jahrtausendelangen Geschichte. Hier im Überblick aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Brindisi
Im Hafengebiet Brindisis, am sogenannten Punta Le Terrare, wurde eine bedeutende Siedlung der mittleren und späten italischen Bronzezeit entdeckt. Diese hatte offenbar bereits früh Handelskontakte zu Griechenland, wie Fragmente mykenischer Gefäße aus dem 15. Jahrhundert v. Chr. belegen. Der Name der Stadt ist messapischen Ursprungs. Er kommt von Brention, was auf Messapisch so viel wie Hirschkopf bedeutet. Es ist eine Anspielung auf die Ähnlichkeit der in der Antike vielfach verzweigten Hafenbucht der Stadt mit den Stangen eines Hirschgeweihs. Durch seinen natürlichen, bereits von Herodot erwähnten Hafen wurde Brindisi schon sehr früh ein wichtiger Umschlagplatz. Die Stadt stand unter der Herrschaft eigener Fürsten, bis die Römer sie 266 v. Chr. eroberten. Schon bald nutzten die Römer den vortrefflichen Hafen als Flottenstützpunkt. Im Krieg gegen Hannibal stand Brundisium auf Seite der Römer. Seither hob sich der Wohlstand der Stadt, insbesondere da die Überfahrt von Italien nach Griechenland gewöhnlich von hier aus erfolgte. Die Via Appia, Roms wichtigste Staatsstraße (Via publica), wurde deshalb im 2. Jahrhundert v. Chr. von Capua nach Brundisium verlängert und führte direkt zum dortigen Hafen. Mit der Zeit blühte Brundisium zu einer der größten Städte Unteritaliens auf. Berühmt waren der Honig und die Wolle, die hier hergestellt wurden
In der Kaiserzeit blieb Brundisium Municipium sowie wichtiger Handelshafen Süditaliens und Ausgangspunkt der Überfahrt nach Griechenland. Am 21. September 19 v. Chr. soll der berühmte römische Dichter Vergil bei der Rückkehr aus Griechenland in Brundisium verstorben sein.
Im Mittelalter behielt der Hafen von Brindisi noch lange seine Bedeutung. 675 wurde sie vom langobardischen Herzog Romuald von Benevent erobert. 836 fiel Brindisi in die Hände der Sarazenen, denen es 868 Kaiser Ludwig II. entriss. Wieder unter die Herrschaft der Byzantiner gelangt, wurde es 1071 von den Normannen unter Robert Guiskard erobert. Unter den Staufer-Kaisern erlebte Brindisi im 12. beziehungsweise 13. Jahrhundert eine Blütezeit und wurde auch wichtiger Hafen der Kreuzzüge nach Palästina. So schiffte sich hier 1228 Kaiser Friedrich II. zu seinem Kreuzzug ein und ließ die Stadt, die seine besondere Gunst genoss, 1238 neu befestigen. Karl I. von Anjou sammelte 1284 in Brindisi eine starke Flotte und Karl II. verbesserte 1301 den Hafen. Seit der Pest von 1348, der Plünderung durch die Ungarn König Ludwigs I. im gleichen Jahr und der Verwüstung durch Ludwig von Anjou 1383 verfielen der Hafen und die Stadt, die durch das Erdbeben von 1456 gänzlich zerstört wurde. Im Besitz Venedigs befand sich Brindisi von 1496 bis 1509, dann fiel es an das lange Zeit von Spanien beherrschte Königreich Neapel.
Neuzeit: Ferdinand I. ordnete 1775 an, den Hafen und die Stadt wieder aufzubauen. Die etliche Jahre andauernden Arbeiten unter der Leitung des Ingenieurs Pigonati machten den inneren Hafen für die kommerzielle und militärische Schifffahrt wieder zugänglich. Brindisi wurde im Mai 1845 zum Freihafen erklärt und kam 1860 an Italien. Die Fertigstellung der Adria-Eisenbahnstrecke von Ancona nach Otranto und die Eröffnung des Sueskanals brachten der Hafenstadt einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Wegen der strategisch bedeutenden und relativ geschützten Lage des Hafens nahe der Straße von Otranto plante man ab 1905 den Bau eines neuen, befestigten Marinestützpunktes und eines kleinen Marinearsenals. Die Arbeiten an dem neuen Arsenal und am Stützpunkt begannen 1913. Darüber hinaus baute man an der Hafeneinfahrt Befestigungsanlagen, baggerte das Hafenbecken nochmals aus und legte einen Wasserflugplatz an. Im Ersten Weltkrieg wurden fast alle Hafenanlagen Brindisis militärisch genutzt. 1933 wurde am Hafen das Marine-Ehrenmal Monumento al Marinaio d’Italia eingeweiht. Brindisi ist bis heute Stützpunkt der italienischen Marine.1994 wurde in Brindisi die UN-Logistics-Base errichtet, die vor allem für die Koordinierung und Unterstützung der Blauhelm-Missionen der Vereinten Nationen zuständig ist. Darüber hinaus befindet sich in Brindisi ein Logistikzentrum des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Am 19. Mai 2012 explodierte eine Bombe in einer Berufsschule. Dabei kam eine Schülerin ums Leben und mehrere Personen wurden verletzt.





In der Nähe der berühmten römischen Säulen, die als Ende der Via Appia und Tor zum Orient errichtet wurden, lernen wir Nicola (23) aus Paris kennen. Er ist schon vier Monate durch die Türkei und Albanien gereist und gerade aus Griechenland mit der Fähre angekommen. Wir treffen uns mit ihm in einem netten Caffe im Innenhof eines Universitätsgebäudes, in dem auch eine Ausstellung zu besichtigen ist..







Nach unserer Pause mit Nicola sind sowohl Temperatur als auch Zeit weit fortgeschritten, doch wir finden beide, dass man solche Momente der Begegnung auskosten und genießen soll. Das haben wir getan und sind dankbar Nicola kennengelernt zu haben, auch wenn wir uns mit unserem gebrochenem Englisch sehr geplagt haben…
Wir drehen noch eine Runde durch die Altstadt und den Hafen von Brindisi, bevor wir die Stadt in südlicher Richtung über das Wohnviertel Bozzano verlassen.













In Bozzano ignorieren wir erst einmal die Rufe eines Passanten „Qui è finita la strada!“ („Hier endet die Straße!“) und merken dann selbst, dass wir hier nicht weiter kommen.



Die einsame und schnurgerade „Strada per Tuturano“ führt uns in das gleichnamige Kaff, wo wir Gott sei Dank einen Trinkbrunnen finden und ….

… uns erst einmal erfrischen, d. h. eine Ganzkörperwaschung durchführen. Zunächst warten wir, bis ein älterer Herr mit seiner Enkeltochter Flaschen und Kanister für den Hausgebrauch auffüllen und dann geht’s los! Um sich eine Vorstellung machen zu können, wie notwendig diese Abkühlung ist, sieht man sich am besten das Video an…


In Tuturano verirren wir uns zum zweiten Mal an diesem Tag, bemerken es aber Gott sei Dank schnell. Wir haben noch 30 Kilometer vor uns, die geprägt sind von karger, verdursteter Landschaft, kaputtem Asphalt und viel Müll am Straßenrand.









Bis Lecce durchqueren wir drei kleine Ortschaften, die in etwa alle gleich aussehen. Ein- bis zweistöckige Gebäude, geschlossene Fensterbalken und keine Menschenseele auf der Straße. Hier: San Pietro Vernotico.



Danach wieder steppenartiges Müllhaldengebiet und die Olivenbäume trocknen vor sich hin…



Wir durchqueren ganze Olivenbaumfriedhöfe. Ein trauriges Bild…




In Squinzano entdeckt Harald ein Stop-Schild aus den 70-er Jahren… Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein…

Zwischen Squinzano und Trepuzzi bleiben wir bei einem verdorrten Artischockenfeld stehen. Es ist uns nicht sofort klar, dass es sich um Artischocken handelt.


Kurz vor Lecce nimmt die Bewässerungswirtschaft wieder zu und Zypressen gedeihen neben Olivenbäumen und üppigen Feigenkakteen zwischen spärlichen, grünen Grasflächen.




Lecce rückt immer näher und wir treten in freudiger Erwartung auf die barocke Stadt in die Pedale.




Über die von Oleanderbäumen gesäumte Piazza Angelo Rizzo gelangen wir durch das imposante Stadttor „Porta Napoli“ in die Altstadt von Lecce.
Das Stadttor wurde Mitte des 16. Jahrhunderts zu Ehren von Kaiser Karl V. Habsburg errichtet. Es ähnelt einem alten Triumphbogen und beschreibt die großen Siege der kaiserlichen Armee. Auf der Außenseite befindet sich ein Tympanon mit dem Wappen Karls V. und ritterlichen Symbolen über zwei Säulenpaaren (https://tropter.com/de/italien/lecce/porta-napoli).




Wir sind nach dem ersten Eindruck schockverliebt, erschöpft UND hungrig und gönnen uns nach 90 Kilometern zunächst mal eine deftige Jause! Dann erst wird eine Unterkunft organisiert.



Unser Hotel liegt direkt in der Altstadt nicht weit vom Restaurant entfernt und bietet ein Zimmer mit Frühstück zu einem annehmbaren Preis (112,- €) an… Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, finden wir.








Lecce ist nicht nur die Stadt des Barocks, sondern auch des Papier-Machés (ital.: Cartapesta)… Hier werden Krippen- und Heiligenfiguren aus diesem Material hergestellt.





Am frühen Abend überqueren wir zunächst di Piazza Sant’Oronzo und machen beim römischen Amphitheater Halt.
Der Platz liegt mitten im Zentrum und weist die typische gemischte Architektur zwischen dem Mittelalter und dem 19. Jhdt. auf. Er ist dem Schutzpatron von Lecce gewidmet. Seit 1656 gab es eine Pestepidemie, die das gesamte Königreich Neapel heimsuchte, nur Lecce blieb verschont. Das musste der Hl. Oronzo bewirkt haben, davon waren Volk, Klerus und der Bischof Luigi Pappacoda überzeugt. Daher wurde ihm zu Ehren eine Säule aufgestellt. 29 m hoch trägt sie die Kupferstatue des Heiligen, der die Stadt segnet. Sie wurde in Venedig gegossen.
Das Kapitell und der Rumpf der Säule wurden aus Teilen eines der beiden Grenzpfeiler errichtet, die an der Via Appia in Brindisi standen (http://www.nelsalento.de/lecce/piazza-santoronzo/).




Quelle des untersten Bildes: https://www.fanpuglia.it/magazine/viaggi/lecce-piazza-santoronzo-e-le-sue-bellezze/
Die Kathedrale ist ein typisches Beispiel für den barocken Baustil in der Provinz Lecce. Eigentlich würden wir gerne auf den Kampanile steigen, um die Sonnenuntergangsstimmung über Lecce zu bewundern, aber unsere Beine machen da heute leider nicht mehr mit…




Wir schlendern weiter und ich schieße, wahrscheinlich wegen meines Erschöpfungszustandes, nur noch wenige Fotos von den zahllosen barocken Bauwerken der Stadt…


Durch Zufall stoßen wir noch einmal auf die „Porta Napoli“ mit dem nicht weit entfernten Obelisken, der 1822 von Luigi Cipolla errichtet und vom Salentiner Bildhauer Vito Carluccio zu Ehren von Ferdinand I. von Bourbon zuvor entworfen wurde (https://www.zonzofox.com/de/lecce/was-zu-sehen/erkunden/attraktionen/obelisco).





Ein erlebnisreicher, eindrucksvoller und anstrengender Tag neigt sich dem Ende zu, wir essen noch eine Kleinigkeit in einer rustikalen Osteria und kehren relativ spät in unsere Unterkunft zurück.
BUONA NOTTE A TUTTI!!!
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