Mein Tag beginnt mit einem herrlichen Sonnenaufgang hinter der Punta di San Francesco, während sich Harald noch einmal im Bett umdreht. Der Blick aus unserem Hotelzimmer des ***Hotel Seggio in Vieste lässt keine Wünsche offen.



Um acht Uhr sind die Gassen von Vieste noch menschenleer. Nur ein streunendes Kätzchen kreuzt meinen Weg. Während ich die engen Gassen und die Kirche von San Francesco unsicher mache, müht sich Harald mit meinem Patschen ab… So lieb von ihm…








In einer Seitengasse stoße ich auf Michele (24), der vor seiner kleinen Werkstatt kleine Modelle der typischen Trabucchis anfertigt. Ich durchlöchere ihn mit Fragen und halte seine Werke anerkennend mit meinem Handy fest. Ein kleines Exemplar darf ich nach dem Besuch mein Eigen nennen.



Wir verlassen Vieste über eine abfallende Straße in Richtung Süden und erreichen die Spiaggia del Castello, wo der eindrucksvolle Kalkstein-Monolith Pizzomunno steht. Natürlich kommen wir ohne ein ausgedehntes Foto-Shooting nicht daran vorbei…
Pizzomunno: Südlich der mittelalterlichen Stadt Vieste befindet sich unterhalb einiger weißer Klippen die Spiaggia del Castello oder Spiaggia di Pizzomunno. Der lange, feine Sandstrand fällt sanft zum Meer hin ab und ist nach dem großen Kalksteinfelsen an seinem nördlichen Ende benannt. Um diesen etwa 25 Meter hohen Monolithen rankt sich eine lokale Legende, die in verschiedenen Versionen erzählt wird. Eine davon berichtet, dass ein junger Mann namens Pizzomunno von den Sirenen in einen Stein verwandelt wurde, weil diese auf Cristalda, ein Mädchen aus dem Ort, in das er verliebt war, eifersüchtig waren. Nach einer anderen Geschichte versteinerte er aus Kummer, nachdem die Sirenen Cristalda aus Eifersucht ins Meer geworfen hatten (https://www.expedia.at/Pizzomunno-Italy.d6322895.POI).





Ein paar Kurven weiter passieren wir die malerische Bucht von San Felice mit dem gleichnamigen Strand.


Nach ein paar Höhenmetern erreichen wir den Torre di San Felice, von wo aus wir uns mit vielen anderen Touristen einen schönen Blick auf den Arco di San Felice teilen. Zufällig lernen wir dort eine sehr sympathische Familie aus Artegna in der Nähe von Gemona kennen. Mama Carmen (48), Papa Andrea (55) und Tochter Adele (11), die mit ihrem Campingbus unterwegs sind. Sie steigen extra für uns noch einmal aus ihrem Bus aus, um ein gemeinsames Foto zu schießen. Wir hoffen sie bald wieder einmal zu treffen!!!


Ein weiterer Tourist empfiehlt uns einen lohnenderen Aussichtspunkt auf der anderen Seite des Bogens anzusteuern. Dazu müssen wir einen knappen Kilometer zurück radeln und ein paar Höhenmeter in Kauf nehmen. Hier sind wir dem Bogen näher und können uns für die Fotos mehr Zeit lassen, da sich keine Touris hinter uns anstellen…


Da wünschte man sich ein Stand-Up Paddelbord und mehr Zeit…




In endlosen Serpentinen geht es bergauf und bergab die Strada Provinciale 54 den Gargano in Richtung Süden entlang. Die kürzere Variante über die Strada Provinciale Mattinata-Vieste lassen wir rechts liegen, da wir ja die verkehrsreicheren Straßen vermeiden wollen.
In brütender Hitze treten wir monoton durch die Macchia und sehnen uns eine schöne Badebucht zum Abkühlen und ein Restaurant zur Stärkung herbei. Als wir nach gefühlt mehreren Stunden endlich wieder in die Hauptstraße einmünden, erreichen wir zur späten Mittagszeit ein einsames Lokal „Trattoria La Montagna“direkt neben der Straße gelegen. Schon ziemlich erschöpft und müde kehren wir dankbar ein und werden mit einem ausgezeichneten Mal mit hervorragender Weinbegleitung belohnt.
Der Umweg über die Strada Provinciale 54 hätte sich nur gelohnt, wenn wir eine der traumhaften Badebuchten besucht hätten. Wir hatten zu sehr unser weit entferntes Ziel Monte Sant’Angelo vor Augen, dass wir daran einfach nicht gedacht haben und einfach nur weiter wollten. Jetzt beim Schreiben dieser Zeilen und genauen Begutachten der Karte wird mir bewusst, dass ein Tag länger und ein bisschen mehr Zeit zum Schwimmen und baden schön gewesen wären…




Nicht weit von Mattinata entfernt erblicken wir eine Fischaufzucht im Meer, auch unter dem Begriff „Marikultur“ bekannt.

Unter Marikultur versteht man eine Aquakultur im Meer, d. h. die kontrollierte bzw. sinnvoll geplante und dementsprechend vollzogene Aufzucht von aquatischen Organismen im Meer. Sie basiert meistens auf Netzgehegen im Meer (Meeresfarm), in denen z. B. Lachse aufgezogen werden. Wirtschaftlich bedeutend sind die Aufzucht von verschiedenen Muscheln wie zum Beispiel von Austern und der Miesmuschel ebenso wie die Platzhalte- und Rastfunktion auf entsprechenden Wanderrouten zu den jeweiligen Laichplätzen (https://de.wikipedia.org/wiki/Marikultur).
Ökologische Probleme: Durch die Marikultur allochthoner Arten, d. h. dem Halten von Lebewesen außerhalb ihrer natürlichen Verbreitung wie z. B. der pazifischen Muscheln Tapes philippinarum (Japanische Teppichmuschel) in Europa, werden heimische Arten verdrängt und es ändert sich die Artenzusammensetzung. Letztlich kommt es meist zu einem Rückgang der Artenvielfalt und auch zu einem Rückgang der Produktion an Biomasse. Der Bau neuer Anlagen und der Einsatz schweren Geräts für Saat und Ernte der Muscheln haben ebenfalls beträchtliche Umweltauswirkungen. Weitere Auswirkungen sind eine allgemeine Gleichgewichtsveränderung des Sedimentationsrhythmus und der chemischen Zusammensetzung der Sedimente. Häufig kommt es durch Fütterung zu einer Verschmutzung und Eutrophierung der Gewässer. Durch die Etablierung standortfremder Arten steigt auch die Gefahr der Verschleppung von Parasiten. Durch die intensive Bewirtschaftung – z. B. sind von der japanischen Venusmuschel Tapes oft 2000 Exemplare pro Quadratmeter Meeresboden angesiedelt – kann es zur explosionsartigen Vermehrung der Parasiten kommen. Die komplexen Lebenszyklen der meisten Parasiten beeinflussen auch die Nahrungskette und das gesamte Ökosystem.Da in vielen Gebieten die Marikultur noch nicht lange betrieben wird, gibt es wenige oder gar keine Untersuchungen über die langfristigen Auswirkungen auf die Ökologie und Wirtschaft der Fischereigebiete (https://de.wikipedia.org/wiki/Marikultur).
Ein Abstecher hinab zu einer vermeintlich schönen Bucht zur Spiaggia dei Faraglioni stellt sich als Flop heraus, da sich der ganze Bereich in Privatbesitz befindet. So strampeln wir die unnötigen Höhenmeter wieder hinauf, um uns danach auf der Hauptstraße in Richtung Mattinata treiben zu lassen. In mir erhebt sich die stille Befürchtung, dass wir bereits alle sehenswerten Buchten hinter uns gelassen haben.
Diese Befürchtung bewahrheitet sich leider und wir genießen die spätnachmittäglichen Sonnenstrahlen an der steinigen Mole im kleinen Yachthafen von Mattinata. Mit einem Bier und etwas Zuckerwasser stoßen wir auf unsere eher missglückte Strandauswahl dieses Tages an…


Die Sonne steht schon tief am Himmel, als wir die bevorstehenden 15 Kilometer und knappen 1000 Höhenmeter bis Monte Sant’Angelo in Angriff nehmen. Zunächst durchqueren wir die mit üppigen Olivenhainen bestückte Ebene von Mattinata.









Verliebt in Olivenbäume…



Als wir die Bergstraße des Monte Saraceno hochtreten, haben wir einen bemerkenswerten Blick über die Ebene von Mattinata mit dem intensiven Olivenanbau.
Die Küstengemeinde Mattinata gehörte seit der industriellen Neuzeit aufgrund ihrer abgelegenen Lage und umringt vom unwegsamen Gargano-Gebirge lange Zeit zu den ärmsten Gemeinden Italiens und besitzt auch heute eigentlich keine Industrie. Die Menschen sind aktuell im öffentlichen Dienst, Handel und Kleingewerbe beschäftigt. Daneben spielen die Landwirtschaft (Oliven) und saisonal auch der Tourismus eine gewisse Rolle. In den 1960er und 1970er Jahren ist ein großer Teil der männlichen Landbevölkerung den Ruf gefolgt, sein Geld als Gastarbeiter in den industriellen Zentren Europas zu verdienen. Man sagt, dass der zunehmende Wohlstand und die vielen neuen Häuser, die in der jüngeren Vergangenheit in der Gemeinde entstanden sind, vor allem den Überweisungen und den zahlreichen Rückkehrern aus Deutschland zu verdanken sind. Bis zum Zweiten Weltkrieg war der Ort nur durch Eselspfade mit seinen Nachbarorten Monte Sant’Angelo und Manfredonia im Westen verbunden, deren Besuch nur mittels einer beschwerlichen Tagesreise möglich war. Der Seeweg war die einzig vernünftige Option zur östlichen Nachbargemeinde Vieste zu gelangen. Erst durch Mussolini wurde der Gargano durch Straßen erschlossen, und es dauerte bis in die 1980er Jahre, ehe sich für die Einwohner Mattinatas durch den Ausbau der Strada Statale (Bundesstraße) Foggia – Vieste und der Untertunnelung des Monte Saraceno die Fahrzeit mit dem Auto in die Kreisstadt Manfredonia von 1 Stunde auf 20 Minuten verringerte (https://de.wikipedia.org/wiki/Mattinata).


Ein militärischer Spruch von Harald lautet: “ Wer die Höhe hat, hat auch das Tal“. Ein anderer weiser Rat von ihm ist mir auch noch im Ohr, nämlich: „Höhe halten!!“, was man bei einer Radtour nicht immer berücksichtigen kann.



Hier geht es allerdings durchwegs bergauf und wir halten unsere Höhe vorbildlich! Der Tag neigt sich dem Ende zu und erst um 21:30 erreichen wir bei absoluter Dunkelheit unser Tagesziel Monte Sant’Angelo.


Gott sei Dank hat das Pilgerhaus noch ein spartanisches Zimmer für uns frei. Wir sind völlig erschöpft und legen nach einer herrlichen Dusche erst mal die Füße hoch…

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