6. Tag: Monte Sant’Angelo – Barletta, 79 km, 90 Hm

Nach einem bescheidenen Pilgerfrühstück im „Casa dei Pellegrini“ (= Haus der Pilger), brechen wir zu einer Stadtbesichtigung auf und können glücklicherweise die Räder im Quartier lassen. Wider unseren Erwartungen herrscht hier in aller Früh schon reges Treiben in den Gassen… Klar, Pilger sind Frühaufsteher!

Monte Sant’Angelo

Monte Sant’Angelo wurde um das Jahr 1000 gegründet. Von 1086 bis 1105 bildete Monte Sant’Angelo die Hauptstadt eines weitläufigen Besitztums der Normannen, die sich Anfang des 11. Jahrhunderts in Apulien ausgebreitet und Lehen erhalten hatten. Im 17. Jahrhundert wurde Monte Sant’Angelo Teil des Königreiches von Neapel, zu dem es bis zur Vereinigung Italiens im Jahr 1860 gehörte. Monte Sant’Angelo ist eine italienische Stadt mit 11.969 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2019) in der Region Apulien (Provinz Foggia). Es liegt rund 15 km nördlich von Manfredonia an den südlichen Hängen des Gargano. Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen die Wallfahrtskirche S. Michele, die Überreste der Kirche San Pietro sowie ein normannisches Kastell. Am Ort des heutigen Monte Sant’Angelo erschien der Legende nach im Jahr 492 der Erzengel Michael den Hirten. San Michele – die Hauptkirche von Monte Sant’Angelo – ist eine Grottenkirche – eine Kirchenform, welche die Normannen in den neu eroberten Gebieten besonders bevorzugten. Was oben auf der Bergspitze zu sehen ist, ist nur der achteckige Glockenturm der Kirche (1273/74) und die zweiteilige Eingangshalle (1395). Die Kirche selber liegt im Innern des Berges. San Michele ist eine dem Erzengel Michael geweihte Wallfahrtskirche. Die Archivolteninschrift des Eingangs besagt, dass demjenigen, der die Grotte betritt, sämtliche Sünden vergeben werden (https://de.wikipedia.org/wiki/Monte_Sant’Angelo). 

Aus der ganzen Welt pilgerten die Gläubigen in der Vergangenheit nach Monte Sant’Angelo – einst kamen sie über die Via Francigena del Sud und wollten von hier weiter ins Heilige Land gelangen. So wurde der kleine Ort am Gargano zu einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Europas. Noch heute ist der Kult um den Erzengel Michael stark in Monte Sant’Angelo. In der Altstadt, die ein wunderschönes Panorama auf den Golf von Manfreddonia und die Ebene von Mattinata bietet, dreht sich alles um den heiligen Michael. Souvenir- und Kunstläden, Märkte und Stände auf der Straße, aber auch Restaurants und Bars stehen hier im Zeichen Michaels.

In Monte Sant’Angelo sollte man die lokale Küche verkosten. Typisch für die Stadt des Erzengels sind die großen knusprigen Brotlaibe und die süßen „ostie ripiene“, die überall angeboten werden. Sie bestehen aus zwei dünnen ovalförmigen Oblaten, gefüllt mit gerösteten Mandeln, Honig, karamellisierten Zucker und Zimt.

In einem Feinkostladen erzählt uns der sympathische Inhaber Alberto ausführlich von den Pilgergepflogenheiten am Weg von Santiago di Compostela bis Jerusalem und zurück. Er zeigt uns Bilder von Pilgerreisenden und den typischen Federschmuck, den sich ein echter Pilger als Mitbringsel aus Monte Sant’Angelo auf seinen Pilgerstab heftet. Aus Santiago de Compostela bringt ein wahrer Pilger eine Muschel mit, aus Rom den Petersschlüssel und aus Jerusalem einen Palmenbuschen…

Anschließend nehmen wir uns noch Zeit für einen Rundgang durch das „Castello Normanno“, die beeindruckende Wehranlage mit Burggraben von Monte Sant’Angelo.

BurgCastello Normanno„: Das Kastell wurde in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch den Bischof von Benevento, Orso I. erbaut. Die unterschiedlichen architektonischen Stile ergeben sich durch den häufigen Besitzerwechsel. Die Normannen bauten die Torre dei Giganti, der Stauferkaiser Friedrich II. nutzte es als Wohnsitz für seine Geliebte, die Gräfin von Turin Bianca Lancia, die Angioviner nutzten es als Staatsgefängnis, während es unter der aragonesischen Herrschaft mit dem Bau der beiden Rundtürme seine alte Brillanz wiedererlangte. Im Jahr 1907 wurde es von der Stadt Monte Sant’Angelo erworben. Von den Balustraden auf der intakten Umfassungsmauer hat man einen Ausblick über die Altstadt bis zum Adriatischen Meer (https://de.wikipedia.org/wiki/Monte_Sant’Angelo).

Unterhalb der Burg liegen die für Monte Sant’Angelo typischen, malerisch weiß verputzten Reihenhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Wir verlassen Monte Sant’Angelo in Richtung Manfredonia und werfen immer wieder einen Blick zurück auf das beeindruckende Bergstädtchen…

Eine wildromantische Bergstraße führt uns in Serpentinen den Hang des Kalkgebirges hinab und eröffnet Ausblicke auf die Ebene von Manfredonia, wo hauptsächlich Oliven angebaut werden.

Der Blick zurück auf die südlichen Ausläufer des Gargano lässt uns ein wenig schwermütig werden, in der Hoffnung bald wieder einmal in dieses besondere Eck Italiens zu kommen, um die schönen Strände und die „Foresta umbra“ des Gargano zu besuchen.

Manfredonia 

Stauferschloss und antike Stelen: Die Gegend am Südrand des Parco Nazionale del Gargano ist seit Jahrtausenden besiedelt. Davon zeugen 2.000 Stelen im antiken Siponto aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert. Als ein Erdbeben die Landschaft 1223 in einen Sumpf verwandelte und Malaria ausbrach, ließ Manfred, der Sohn von Kaiser Friedrich II., eine Stadt anlegen, die seinen Namen trug. Bald darauf fiel sie jedoch an das Haus der Anjou und wurde 1620 von den Osmanen geplündert und gebrandschatzt. Im 19. Jahrhundert erfolgte der Wiederaufbau. Aus dem Mittelalter sind noch das staufische Schloss und die Kirche S. Domenico erhalten. Die antiken Stelen sind im Archäologischen Museum der Stadt zu besichtigen, das im Schloss seinen Sitz hat. 

Die Viale dei Pini führt uns in südwestlicher Richtung aus der Stadt. Die schnurgerade Straße wird, wie der Name verrät, von Pinien, aber auch von Palmen und den schönen Eukalyptusbäumen gesäumt…

Südlich von Manfredonia erstreckt sich eine weite trostlose Ebene, die teils aus Sumpfgebiet und teils aus scheinbar vernachlässigten landwirtschaftlichen Flächen besteht. Wir treten in die Pedale, um möglichst schnell Kilometer zu machen und diese unwirtliche Gegend hinter uns zu lassen.

Der Hunger führt uns in eine verlassene Ferienwohnanlage östlich von Foggia, Foggiamare Village, wo wir hoffen, ein Restaurant zu finden. Der Abstecher war leider umsonst. Tutto chiuso!!

Ein paar Kilometer weiter südlich, außerhalb der tristen und wenig belebten Kleinstadt Zaponeta, riskieren wir nochmal einen Abstecher in eine Seitenstraße in Richtung Meer. Die heruntergekommene und teils kaputte Beschilderung zum Restaurant „La Caravella“ verheißt nichts Gutes. Die Gegend ist wie ausgestorben… Ein Auto gibt uns wieder Hoffnung und tatsächlich haben wir Glück! Die Familie mit Mama, Sohn Francesco, Tochter und Enkelkind betreiben das Lokal und das Strandbad „Lido di Caravella“ und bewirten uns in süditalienischer Manier ohne Eile oder Hektik mit herrlicher Pasta allo Scoglio!

Nach dem Essen ruhen wir uns ein wenig am Strand aus. Während Harald sofort ins Land der Träume abtriftet, wage ich einen Sprung ins Meer…

In öder Landschaft geht weiter in Richtung Südosten… Rechterhand erstreckt sich über mehrere Kilometer das „Riserva Naturale Il Monte“, eine große Lagune mit zahlreichen Wasservögeln, wie z. B. Flamingos.

In Margherita di Savoia wird im „Riserva Naturale Salina“ in seichten Teilen der Lagune Salz produziert.

Überall wachsen überdimensional große „Ohrwaschlkakteen“. Die Früchte, die sogenannten „Fichi d’India“ sind eine köstliche Zwischenmalzeit.

Der Wille zum Mülltrennen ist grundsätzlich vorhanden, meint man, doch die Realität sieht leider anders aus. Die Straßen in Süditalien sind gesäumt von Müll und auf Parkplätzen wird dieser ungeniert abgeladen, wie wir sogar beobachten konnten.

Die Sonne steht schon tief, als wir nach der Überquerung des Flusses Ofanto in Richtung Meer abzweigen.

Am Strand angekommen passiert Harald ein Missgeschick und wir müssen erstmal Schlauch wechseln..

Bis zu unserem Ziel, der Hafenstadt Barletta sind es noch circa sieben Kilometer. Wir kommen wieder mal bei Dunkelheit an.

Beim dritten Anlauf finden wir Gott sei Dank ein Zimmer im „Nicotel“ am südöstlichen Ende der antiken Stadt. Im nahe gelegenen Restaurant „Gli Alisei“ beim Strandbad „Bagni Teti“ speisen wir köstlichst und stoßen auf unseren letzten Abend und die gelungene, erlebnisreiche Radreise an.

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