6. Tag: Talamone – Piombino, 110 km, 540 Hm

Ein harter Tag steht mir bevor, denn 110 km sind für mich eine Herausforderung… Im Hotel Baia di Talamone werde ich höchstpersönlich vom Chef verabschiedet. Es ist ein nettes kleines ***Hotel und ich durfte mein Rad über Nacht in der Hotel-Lobby abstellen.

Hier, nördlich von Talamone auf der Strada Vicinale della Valentina und entlang des Kanals Collettore Principale, befinde ich mich am Rande des Naturparks der Maremma. Die Gegend ist stark landwirtschaftlich geprägt und ich komme bei großen Agriturismo-Betrieben vorbei, wo man übernachten, essen und Fleisch, Gemüse, Obst, Öl und Honig kaufen kann.

Ebenda…

Eine Bisonrattte kreuzt meinen Weg, der alsbald in einen Schotterweg übergeht.

Tomaten- und Weinfelder liegen vor den sanften Hügeln des Maremma Naturparks.

Ich erspähe ganz viele schwarze Käfer auf dem Schotterweg. Einige habe ich wohl mit meinen Reifen zerquetscht…

In Alberese „stolpere“ ich zum ersten Mal über den Begriff „Butteri“.

Buttero ist in Italien die Bezeichnung eines berittenen Viehhirten der Maremma („Meeresland“), der Campagna Romana und der Pontinischen Ebene, Regionen der Toskana und des Latium. Die Maremma wird in die so genannte Bassa Maremma und Alta Maremma unterteilt, also das tief gelegene Küstengebiet und das den Abruzzen vorgelagerte Hügelland. Die Landschaft wird von Pinie, Macchie, Eichen, Zypresse und Hartlaubgewächs dominiert. Die Sommer sind heiß, im Winter kann es ausgiebig regnen. Die Aufgaben der Butteri waren es von jeher, die halbwild lebenden Rinderherden zu betreuen, wozu man Pferde verwendet(e). Zuchtwahl (Trennen), Sortieren, Umsetzen, Impfen und Entwurmen, Marken setzen oder Brennen (la marca) und Wundbehandlung waren und sind die Aufgaben, die einen langen Arbeitstag im Sattel bedingen. Die reiterliche Ausbildung erfolgt in der Praxis, der Reitstil wird zwar als „typisch“ bezeichnet, ist jedoch ein recht einfaches Arbeitsreiten, das sich am Zweck orientiert. Dennoch treten Butteri-Gruppen an den italienischen Pferde-Messen (z. B. Fieracavalli Verona) auf und zeigen in Gruppen sowohl praktische Herdenarbeit (meist Fohlentreiben) und einfache Quadrillen sowie Reiterspiele. Man verwendet sowohl ein weiches Sisal-Lasso als auch einen kurzen Treibstock (ca. 1,5 m) mit Haken, um Jungtiere fangen zu können. Die Kleidung ist recht typisch, besteht mehrheitlich aus geschmackvollen Kordsamt-Anzügen mit Sakko oder Gilet und Breeches, Krawatte und Hut, dazu Leggings und Stiefeletten oder derbe Stiefel. Die vorherrschenden Farben sind Olivgrün, Braun und Beige bzw. Graubraun. Das Benehmen ist durchwegs höflich und korrekt, man ist auf seinen Beruf stolz und zeigt dies. Es gibt übrigens in anderen italienischen Gebieten noch ähnliche Arbeitsreiter, die kaum bekannt sind. Sporen kommen vor, sind jedoch nur klein und in der Form unauffällig. Die Reitweise wirkt ruhig und sachlich, ohne übertriebene Härte. Die Beine sind etwas vorwärts gestreckt, der Sitz ist balanciert, man trabt „leicht“ und sitzt den Galopp aus bzw. geht in einen leichten Sitz. Die Pferde beherrschen fliegende Wechsel und enge Hinterhandwendungen sowie schnelle Stopps. Der Buttero reitet normalerweise das typische Pferd der Maremma, einen Maremmano. Der ist ein kräftiges Pferd von rund 160 cm Stockmaß oder etwas mehr, mit leicht geramstem Profil, kräftigem Hals, einer kräftigen, eher steilen Schulter und einem sehr tragfähigen Rücken. Die Kruppe ist muskulös und leicht abfallend, die Hosen sind gut bemuskelt und die Gelenke derb und trocken. Nur ganz kleine Kötenzöpfe, eher schütterer Schweif, oft doppelte Mähne. Meist Dunkelbraune, Rappen oder Braune mit nur kleinen Abzeichen. Durchschnittliche Gänge, eifriger Schritt, Trab wenig ergiebig aber bequem, runder Galopp; wendig und trittsicher. Furchtlos, ausdauernd und robust, mit viel „Cowsense“. Nur mehr wenige Zuchtbetriebe, außerhalb Italiens wenig bekannt und trotz seiner guten Eigenschaften kaum exportfähig, obwohl dies eine ideale Freizeit-Rasse darstellen würde, die in Optik, Größe und Kaliber dem deutschen Markt entspricht. In den letzten Jahrzehnten kam es immer wieder zur Einkreuzung von englischem Vollblut, um die Rasse etwas sportlicher zu gestalten. Sie dürfte mit iberischen Rassen und dem ausgestorbenen Neapolitano verwandt sein; ähnelt auch dem Murgese aus Apulien, der ein Abbild des Neapolitano sein dürfte. Die Rinder sind typisch der Podolischen Rassengruppe angehörig und stellen eine attraktive und nützliche Rasse dar. Sie sind grau oder silbergrau, mit langen ausladenden Hörnern in Leierform, die Bullen dunkler und extrem maskulin wirkend (https://de.wikipedia.org/wiki/Buttero).

Eine schöne Kirche in Alberese…

Nette Bekanntschaft… ein italo-deutsches Paar!

In Alberese besuche ich einen ansprechenden Schauraum über den Naturpark der Maremma.

Hier empfiehlt es sich ein Rad auszuleihen, wenn man kein eigenes dabei hat. Dennoch nehmen viele Touristen den langen Weg zum Meer zu Fuß in Angriff….

Der Schauraum der Ausstellung „Parco Naturale della Maremma“ zeigt wunderschöne Bilder über die Fauna und Flora des bekannten Naturparks.

Die Fahrt durch den Park führt mich durch Olivenhaine und dichter Macchia-Vegetation. Die vielen Tiere, von denen im Schauraum die Rede war, verstecken sich wohl gut! Ich kann leider kein einziges von ihnen erblicken….

Oliven, Macchia, Macchia, Oliven, Oliven, Oliven….

Kurz vor dem Zugang zum Meer muss man das Rad abstellen. Um dies sicherzustellen, sind hier eigene Kontrolleure angestellt!

Ich stelle mein Rad ab und marschiere mit den Radschuhen durch den Sandweg zum Strand, in freudiger Erwartung auf ein kühles Getränk in einer urigen Bar und eine Toilette.

Leider Fehlanzeige!!! Eine Bar ist weit und breit nicht zu sehen und sanitäre Anlagen sind hier nicht vorgesehen, obwohl es zahlreiche Tagestouristen und Familien gibt, die hier einen Strandtag verbringen. Da Schattenplätze rar sind, funktioniert der Tuchverkauf eines Afrikaners offensichtlich gut. Er bedient gerade einen Kunden…

Ich frage mich die ganze Zeit, wo die sonnenhungrigen Besucher dieses „Naturparks“ wohl ihre Notdurft verrichten…?!

Ich frage eine Kontrolleurin, wo es denn hier eine Toilette gäbe… Sie erklärt mir mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit, dass eines in drei Kilometer Entfernung zu finden wäre.

Ich nehme die besagten drei Kilometer zielstrebig in Angriff und radle durch einen schönen Pinienwald!

Endlich sanitäre Anlagen und was man sonst noch so braucht…

Bis hier hin kann man von der Hauptstraße aus auch mit dem Auto fahren und das nutzen viele Tagestouristen aus.

Kleine Naturkunde am Weg… Sehr schön aus Ton gefertigt!

Über eine ewig lange Pinienallee geht‘s aus dem Park wieder Richtung Strada Vecchia Aurelia, meine eigentliche Route. Der Abstecher ans Meer hat mir viel Zeit und Kraft gekostet…

Ein schöner Radweg durch die trockene Ebene…

Um in den Naturpark zu gelangen, nehmen viele Besucher eine lange Wartezeit in Kauf. Es hat sich schon ein beträchtlicher Stau gebildet…

Endlich wieder zurück auf meiner Route!! Ich liebe Brücken!!!

Die vertrockneten Sonnenblumen mit den schwarzen Beeren geben ein morbides Bild ab, finde ich…

Ab jetzt werden Kilometer abgespult, nehme ich mir vor…

Die bestimmt sehenswerte Stadt Grosseto ist (Gott sei Dank) zu weit entfernt…

Castiglione della Pescaia liegt stattdessen auf meinem Weg und ich bin entzückt von der netten Altstadt! Etwas mehr als die Hälfe der geplanten Strecke habe ich bereits zurückgelegt und ich entschließe mich (entgegen meiner ursprünglichen Pläne) dazu, hier eine Mittagspause einzulegen. Das ist das Gute am Alleineunterwegssein: Man kann von einer Sekunde auf die Andere seine Pläne umwerfen und tun, was das Herz begehrt!!

Castiglione della Pescaia ist eine Stadt mit 7105 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2023) an der Maremmaküste, Toskana in der Provinz Grosseto. Der Ort wird von einer mittelalterlichen Burg (12. bis 14. Jahrhundert) überragt und ist heute ein beliebter Badeort am Tyrrhenischen Meer. Sie liegt etwa 20 km westlich der Provinzhauptstadt Grosseto und rund 125 km südlich der Regionalhauptstadt Florenz. Zu Zeiten der Etrusker (9.–4. Jh. v. Chr.) war das Gebiet südöstlich der Flussmündung des Bruna, an der das heutige Castiglione liegt, von einem großen Salzsee bedeckt. Römische Quellen (Catull und Cicero) erwähnen ihn als Lacus Prelius. Wilhelm von Malavalle – heute noch Schutzpatron des Ortes – soll sich in dieser unwirtlichen Gegend (malavalle) als Eremit zurückgezogen haben. Das älteste heute noch sichtbare Zeugnis aus der Vergangenheit ist die von der Seefahrer-Republik Pisa angelegte Festung; die Pisaner beherrschten den Hafen vom 10. bis ins frühe 15. Jahrhundert. Mit der Eroberung Pisas durch Florenz 1406 teilt Castiglione seine weitere Geschichte mit der Medici-Republik und insoweit ab 1569 mit dem Großherzogtum Toskana, ab 1737 mit Habsburg-Lothringen und ab 1860 mit dem italienischen Staat. Leopold II. initiierte im 19. Jahrhundert umfangreiche Programme zur Entwicklung eines Kanalsystems durch den Salzsee, ähnlich demjenigen, das es zu antiken Zeiten schon einmal gegeben haben muss, sowie zur Trockenlegung der südlich angrenzenden Sümpfe. Im Laufe des darauffolgenden Jahrhunderts stagnierten die Arbeiten jedoch immer wieder, und die Natur holte sich das Land zurück. Unter Benito Mussolini kam es zu Zwangsarbeitsprogrammen mit Häftlingen und landlos gewordenen Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg. Es sollte noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts dauern, bis eine Kultivierung des ehemaligen Sumpflandes endgültig gelungen und die Malaria ausgerottet war. Für die Pisaner hatte der Hafen nur strategische Bedeutung; Siedler mieden die Sumpfgebiete. Die Medici versuchten, Familien aus dem Norden für den Zuckerrohranbau zu gewinnen. Erst im 19. Jahrhundert siedelten sich im Zuge der Verbesserung des Klimas die ersten Fischer an; noch heute ist Fischfang eine Einnahmequelle des Ortes, neben die der Tourismus erst Ende des 20. Jahrhunderts getreten ist. Die pisanische Rocca geht auf einen ersten, im 12. Jahrhundert angelegten Turm hoch auf dem Hügel über dem Hafen von Castiglione zurück, der in den darauffolgenden Jahrhunderten in einen vorgelagerten Mauerring mit zwei weiteren Ecktürmen eingebunden wurde; diese Anlage umschließt die Oberstadt dreiecksförmig. Der ursprüngliche Turm wurde stark verändert; er ist heute in Privatbesitz und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Weitere Befestigungsanlagen wurden im 15. Jh. von den Florentinern hinzugefügt. Treppenaufgänge, teilweise mit Schwibbögen, ziehen sich durch die Altstadt innerhalb des Mauerrings und schließen die Kirche sowie den Palazzo Comunale mit ein. Von der Aussichtsterrasse unterhalb des bewohnten Turms öffnet sich ein weiter Blick auf den Ort und nach Süden bis zur Isola del Giglio sowie zum Monte Argentario. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die Pfarrkirche San Giovanni Battista, der Palazzo Pretorio (mittelalterlich, renoviert im 18. Jahrhundert), der Palazzo Camaiori (erbaut im 15. Jahrhundert), der Palazzo Centurioni (mittelalterlich, renoviert im 20. Jahrhundert), der Palazzo dello Spedale (erbaut am Ende des 16. Jahrhunderts, dann immer restauriert), sowie die Kirche Santa Maria Assunta im Fraktion Buriano mit Fresko La natività des Malers Giuseppe Nicola Nasini. Die Kirche Sant’Andrea Apostolo im Fraktion Tirli, mit Stuckarbeiten von Andrea Ferrari aus Lugano, bewahrt die Reliquien des Heiligen Guglielmo di Malavalle (https://de.wikipedia.org/wiki/Castiglione_della_Pescaia).

Ich nehme mir die Zeit und spaziere, mein Rad schiebend, zur Burganlage hinauf…

Auf mittelalterlichen Gassen, vorbei an alten Gemäuern und Hauseingängen, geht es bis zur alten Burg.

Der Aufstieg hat sich ausgezahlt! Von der Aussichtsterrasse unterhalb des bewohnten Turms öffnet sich ein weiter Blick auf den Ort und nach Süden bis zur Isola del Giglio sowie zum Monte Argentario, den ich wohlgemerkt gestern noch umrundet habe!

Dieses mittelalterliche Dorf von Castiglione della Pescaia ist wirklich etwas Besonderes und für einen Urlaub sehr zu empfehlen!!

Nach der Mittagspause in Castiglione della Pescaia möchte ich nun endlich Kilometer machen!!

Wieder einmal durchkreuze ich fruchtbares Land…

Und schon komme ich an einem herrlich bunten Straßenverkauf für Obst und Gemüse vorbei, wo ich unbedingt stehen bleiben muss…

Die Sonne steht schon tief, als ich die wenig ansprechende Stadt Follonica erreiche und meine Kräfte schwinden zusehens…

Follonica ist ein belebter Badeort südöstlich von Piombino.

Eindrücke von Follonica…

Lungomare und Radweg in Follonica…

Die touristische Bedeutung von Follonica ist nicht zu übersehen…

Nun geht es in Richtung Piombino. Meine Kraftreserven sind schon fast aufgebraucht…

Die Enel S.p.A. ist ein italienischer Energiekonzern mit Sitz in Rom, der in den Bereichen Stromerzeugung und Erdgas tätig ist. Das Unternehmen ist der größte Stromversorger in Italien und weltweit in 43 Ländern tätig. Die Aktiengesellschaft entstand 1962 per Gesetz aus der Fusion mehrerer kleinerer, regional operierender Gesellschaften. Seit Januar 2017 obliegt der Netzbetrieb der selbständigen Gesellschaft Terna, die Lieferung elektrischer Energie an die Endverbraucher innerhalb Italiens wird von der Enel-Tochter SEL (Servizio Elettrico Nazionale) betrieben (https://de.wikipedia.org/wiki/Enel).

Stromleitungen, Windräder und eben auch Wind prägen die Gegend rund um Piombino.

Im Einzugsgebiet von Piombino ist der Verkehr nicht ganz ungefährlich und ich trete in die Pedale, was das Zeug hält!

In der Innenstadt wird die Verkehrslage ruhiger und ich kann mich endlich wieder entspannen…

Der Name der gut 30.000 Einwohner großen Stadt an der Mittelmeerküste weist bereits auf einen wesentlichen Wirtschaftszweig des Ortes hin: die metallverarbeitende Industrie. Und industriell geprägt ist zweifelsohne auch das Stadtbild von Piombino – kein klassisches Urlaubsziel. Viele nutzen heute Piombino, um die Fähre zur nahe gelegenen Insel Elba zu nehmen. Dabei wird die historische Innenstadt leider oft vernachlässigt, obwohl diese für einen Ausflug sicher attrativ ist. Lassen Sie sich nicht von den Hafenanlagen und Industrieanlagen täuschen: Insbesondere, wenn Sie von Piombino nach Elba fahren, nehmen Sie sich ein paar Stunden mehr Zeit, um den gut erhaltenen Stadtkern Piombinos zu erkunden, denn ein Besuch der hübschen Innenstadt lohnt sich. In der wechselvollen Geschichte hat die Stadt besonders im Mittelalter mehrfach den Besitzer gewechselt: So gehörte die Stadt u.a. zu den Appiani, den Ludovisi und den Boncampagni. Bei einem kleinen Rundgang durch die gut erhaltene Innenstadt verdienen der pompöse Rivello (Stadttor) und die aus dem 13. Jahrhundert stammende Chiesa della Misericordia mit einem Kruzifix aus dem 15. Jahrhundert besonderes Augenmerk. Ebenfalls sehr spannend und sehenswert ist die alte Etruskerstadt Populonia, die zwar etwas im Hinterland liegt, aber auch zu Piombino gehört (https://www.toskana-reisefuehrer.de/eip/pages/regionen-1.php).

Im Hotel „Italia“ finde ich Gott sei Dank spontan ein Zimmer und bin stolz auf mich, 110 Kilometer geschafft zu haben!!

Nach so vielen Eindrücken an einem Tag sage ich erschöpft, aber zufriedenen Herzens nur noch…

BUONA NOTTE!!!!

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