9. Tag: Gallipoli – Oria, 76 km, 280 Hm

Abfahrt bei unserer Unterkunft „Al Peccatore“ in Gallipoli.

Bei der Ausfahrt aus Gallipoli fotografiere ich noch einmal die imposante Festung „Castello Aragonese“, die im 11. Jahrhundert auf den Fundamenten einer alten, römischen Festung erbaut und dann, in byzantinischer Zeit, im 13. Jahrhundert umgebaut wurde. Um auf die andere Seite der Straße und der Bahnlinie zu gelangen, müssen wir mit geduckten Köpfen durch eine Fußgänger-Unterführung…

Bis Rivabella Gallipoli sind die Straßen gut asphaltiert, breit, großzügig und wenig befahren.

In Lido Conchiglie nützen wir ein kurzes Stück Radweg und freuen uns über den imposanten Felsen, der eine Abwechslung im Landschaftsbild darstellt.

Bis Santa Maria al Bagno reihen sich felsige, türkis-grüne Buchten aneinander.

Der kleine Badeort Santa Maria al Bagno ist ein kleines Juwel am Ionischen Meer. Die Badebucht mit glasklarem Wasser lädt die Besucher zum Baden ein. Wir beobachten die italienischen Badegäste, wie sie teils nur bis zu den Knien im Wasser stehen, sich angeregt unterhalten und ihre Beine vom Wasser umschmeicheln lassen… Mehrere Mamas, aber auch Omas sitzen mit großen Kühlboxen unter den Schirmen.

Der Radweg zwischen Santa Maria al Bagno und Santa Caterina ist „eccezionalmente bella“, würde ich sagen… Auf creme-farbigen Asphalt geht es zweispurig am Meer dahin…

In Santa Caterina beobachten wir eine Dame, die ihrer schon etwas gebrechlichen Mutter hilft, sich beim Brunnen die Füße zu waschen.

An der Nordseite von Santa Caterina könnte man eine Festungsanlage und die Grotta di Capelvenere besichtigen. Wir erspähen den Turm nur von der Ferne und biegen rechts in die Via Sardegna ein.

Festungsanlage bei Santa Caterina

In der Via Sardegna kommen wir bei einer Open-Air-Gebetsstätte vorbei…

Nördlich von Santa Caterina liegen auf einer Anhöhe luxuriöse Villen. Die Straße, sowie die Olivenhaine machen einen sehr gepflegten Eindruck. Linker Hand, auf der Meerseite, befindet sich ein üppiger Pinienwald, den wir im Landesinneren umfahren müssen.

Aus der bewaldeten Gegend kommend, ist ein paar Kilometer weiter die Landschaft wieder von der Landwirtschaft ausgelaugt, kahl und trocken.

Wir lassen unsere Räder in Richtung Meer rollen und genießen den Ausblick…

Ein paar Kilometer weiter passieren wir den Bade- und Touristenort Porto Cesareo.

Die Straße wird nördlich von Porto Cesareo schmäler, ist aber Gott sei Dank nicht sehr stark frequentiert. Ein seltenes Bild tut sich auf: Andere Radfahrer!!!

Wir verbringen unsere Mittagspause in Torre Colimena, wo es allerdings kein einzig annehmbares Lokal gibt. Wir begnügen uns mit jeweils zwei Bieren und ein paar Chips in einer Bar und freuen uns über den wunderschönen Wehrturm…

Wann bekommen die Süditaliener ihr Müllproblem in den Griff??

Von Torre Colimena zweigen wir in Richtung Avetrana ins Landesinnere ab. Dort können wir bei einem Brunnen unsere Flaschen auffüllen und haben auch noch einen anderen Grund, um eine Pause im Schatten zu machen….

Die Weg aus Avetrana in nordwestlicher Richtung ist in einem schlechten Zustand, geht aber bald in eine perfekt asphaltierten Straße über. Weinrebenflächen und Olivenhaine wechseln sich ab.

Auch weiter in Richtung Manduria zeigt sich dasselbe Bild… Wein und Oliven, soweit das Auge reicht! Ich liebe die vielfältigen Einfahrtsportale zu den Höfen und die Trockenmauern, die die einzelnen Grundstücke trennen…

Nach einer Irrfahrt bei brütender Hitze und einer heftigen Auseinandersetzung aufgrund schwacher Nerven angesichts des lang andauernden Zuckerentzugs und der extremen Temperaturen, finden wir endlich die hart ersehnte Masseria Palombara. Einmal muss man in einer typisch apulischen Masseria übernachtet haben, denken wir uns und checken um 360,.- Euro für eine Nacht ein… Wir sind überwältigt von der geschmackvollen, stylischen Einrichtung und kommen aus dem Staunen und Schwelgen gar nicht mehr heraus (ich zumindest…). Es ist einfach ein Traum!!

Masserien sind für Süditalien typische Gutshöfe, Relikte des Feudalismus, von denen die ersten aus dem 13. Jahrhundert stammen. Einige Masserien stehen heute als Ruinen verlassen in der Landschaft, andere wurden in den letzten Jahren in Agritourismi, B&B oder in Luxusresorts verwandelt. Neben dem Hauptgebäude gehörten früher zum Gehöft auch die Unterkünfte der Bauern, Ställe, Futter- und Getreidelager, Räumlichkeiten zur Herstellung typischer Produkte: eine Mühle, eine Käserei oder Ölpresse. Die verschieden Komplexe können durch Bogengänge verbunden sein. Masserien stehen isoliert in der Landschaft und manche haben sich zu autonomen Minidörfern entwickelt. Was die Gutshöfe in der mediterranen Tradition fast immer gemeinsam haben, ist die Einfriedung, die aus einer hohen, befestigten Mauer und einem großen zentralen Hof besteht. Ein zu Wohnzwecken genutzter Teil des Gebäudes verfügte in der Regel über ein oder mehrere Obergeschosse, in denen der „Herr“ und seine Familie wohnten. Die unteren Stockwerke dienten als Wohnräume für die Bauern und als Lager für Vorräte und Futtermittel. Der Ofen und die Zisternen zum Sammeln des Regenwassers sorgten für eine völlige Unabhängigkeit von den Städten und Dörfern. In den wichtigsten Höfen gab es auch eine kleine Kirche. In der Region zwischen Bari und Brindisi wurden Masserien häufig mit Türmen und Gräben ausgestattet und bildeten eine Verteidigungslinie gegen Invasoren. Im 18. und 19. Jahrhundert verwandelten sich manche in Sommerresidenzen der Adligen und später des Bürgertums. Masserien sind in Süditalien weit verbreitet, vor allem in Apulien, der Basilikata, im oberen Teil der Murgia-Hochebene, im äußersten Norden Kalabriens und im zentralen Hinterland Siziliens (https://www.dasmeerundapulien.com/die-masseria/).

Auch unsere Hütte ist sehr ansprechend und dezent in weiß gehalten.

Wir nehmen das Rad, um durch das weitläufige Gelände zum Haupthaus zu gelangen.

Vor dem Abendessen und bevor es dunkel wird, sehen wir uns noch den Taubenschlag an, der früher vom Feudalherren zur Haltung von Brieftauben, aber auch zur Produktion von wertvollem Dünger genutzt wurde.

Bereits in altägyptischer Zeit wurde die domestizierte Form der Felsentaube in eigens dafür errichteten Taubenschlägen gehalten. Taubenzucht war auch bei Assyrern, Phöniziern und im antiken Griechenland bekannt. Die Haltung der Tauben wurde durch die Römer in Mitteleuropa und in Nordafrika verbreitet. Das römische columbarium ist die erste überlieferte Bauform eines Taubenschlags. Taubenschläge dienten in erster Linie zur Produktion von wertvollem Dünger, der auch exportiert wurde und erst danach zur Nahrungserzeugung und der Zucht von Brieftauben. Im europäischen Mittelalter waren Taubenschläge große freistehende Gebäude auf dem Gelände von Klöstern oder Herrenhäusern; oft standen sie auch mitten in den Feldern. Ihr Betrieb war lukrativ, bedurfte aber der Genehmigung durch den König. Taubenzucht war eine vergnügliche Angelegenheit des Adels. Taubenschläge waren manchmal – wie in der Villa Barbaro in Venetien – als Pavillons in die Parkgestaltung integriert. Dieses Klassenprivileg wurde erst mit der Französischen Revolution abgeschafft, und Tauben wurden besonders im Winter für die Bevölkerung die einzige Alternative zu getrocknetem Fleisch (https://de.wikipedia.org/wiki/Taubenschlag).

Ein herrliches Abendessen aus typisch apulischer Keramik runden den wunderschönen, aber auch sehr anstrengenden Tag ab…

BUONA NOTTE!!!

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