Wir genießen einen traumhaften Sonnenaufgang über Matera vom Belvedere di Piazza Giovanni Pascoli. Wie immer bei Sonnenauf- und Sonnenuntergängen denke ich an die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben, meine Kinder Gianni und Marie (21 und 18) und widme ihnen diese Bilder.




Es wäre schön gewesen noch länger in dieser faszinierenden Stadt zu verweilen, aber, wer weiß, vielleicht verschlägt es uns ja wieder einmal in diese Gegend… Um ca. 5:45 Uhr brechen wir auf. Die Straße in Richtung Montescaglioso, das im Süden von Matera liegt, ist um diese Zeit autofrei und es geht kontinuierlich bergab. Ich genieße den kühlen Fahrtwind und freue mich über üppige Oleander und die gepflegten Straßenränder. Die Umgebung von Matera ist großteils sehr sauber und man sieht kaum Müllablagerungen neben der Straße. Der Blick in die Ferne bei dem morgentlichen Lichteinfall ist atemberaubend schön








Meine geliebten Rundstrohballen müssen für mehrere Fotos herhalten…



Auch eine kahle und von der Landwirtschaft ausgelaugte Landschaft hat ihren Reiz!



Die Straßen in Süditalien sind grundsätzlich wunderbar asphaltiert und eignen sich hervorragend zum Radeln (auch bestimmt mit dem Rennrad). Nur selten stößt man auf Abschnitte mit aufgebrochenem Belag, wie hier auf der Via Monte Scaglioso auf der Höhe der Erhebung Serra Maggiore (210m).








Je weiter man sich von Matera entfernt, desto häufiger befindet sich auch wieder Müll am Straßenrand. Ich finde das sooooo schade und hoffe, dass es in dieser Hinsicht in Zukunft eine Veränderung in Richtung mehr Umweltschutz und -bewusstsein geben wird.



Wir lassen Montescaglioso links stehen und biegen in Richtung Westen ab, wo sich auch ein versteckter Trinkbrunnen befindet, bei dem wir unsere Wasserflaschen auffüllen können. Es ist zwar noch früher Vormittag, aber schon richtig heiß!! Bei Wasserstellen ist man nie alleine und auch hier treffen wir Einheimische, die ihre Kanister auffüllen. Nach dem Trinkbrunnen geht es auf einem Schotterweg weiter…






Am Ende der Straße, die immer Richtung Westen verläuft, erspähen wir schon Pomarico, der Ort, wo wir unser Frühstück einnehmen werden.




Da die Gegend sehr einsam und abgelegen ist, nehme ich die Blumen am Straßenrand und generell alle Düfte, Geräusche und Farben viel intensiver wahr. Es ist ein meditatives Treten und ich fühle mich ganz stark mit der Natur verbunden…








Eine Unterführung leitet uns unter der SS175 durch und wir radeln einträchtig in der Mitte der Fahrbahn, weil wir mutterseelenalleine unterwegs sind. Kein Auto, kein Moped und schon gar kein Radfahrer kreuzt unseren Weg. Nichts als Schilf, Strohballen und abrasierte Hügel weit und breit…




Endlose Weiten der Basilikata… Ich habe am vorgestrigen Tag über die Entwaldung dieser Region geschrieben. Falls es jemanden interessieren sollte, bitte unter „3. Tag: Massafra-Matera“ nachlesen.


Der Anstieg bis Pomarico bei dieser Hitze ist garnicht so ohne…




Das Frühstück mit den sicher besten Briochès in der Bar Gallitelli haben wir uns redlich verdient!! Anschließend machen wir uns auf die Suche nach dem Weg zur Kirche im oberen Teil des Ortes. Der drahtige Lorenzo (84) bemerkt unsere Unsicherheit und hilft uns gerne weiter. Dabei erzählt er auch gleich seine Lebensgeschichte, und zwar auf DEUTSCH!!! Oder besser: in einem sympatischen Vorarlbergerisch bzw. Schwitzerdütsch. Das hätten wir uns in dieser Gegend nicht erwartet… Er ist, so wie viele junge Menschen in den 60-er Jahren, ausgewandert und zwar in die Schweiz, wo er 50 Jahre lang gelebt hat. Erst mit 68 ist er wieder in seine Heimat zurückgekehrt.


Zunächst schieben wir die Räder steil bergauf…





Oben angekommen sind wir erst mal schockiert von dem miserablen Zustand des zum Teil noch bewohnten Ortsteils. Ein verlassenes Haus neben dem anderen. Man fühlt sich fast wie in einer Geisterstadt.





Im obersten Bereich von Pomarico steht die Chiesa (=Kirche) della SS.Addolorata aus dem 11. und 12. Jahrhundert und ein angrenzendes kleines Amphietheater, wo es abends bestimmt tolle Veranstaltungen gibt. Hier ist alles sehr gepflegt und man genießt einen schönen Ausblick im Beisein einer lebensgroßen Statue von Papst Pius.











In der Neustadt angekommen, spreche ich Einheimische an, die Gemüse und kleine Schnecken vor der Haustüre verkaufen. Natürlich unterhalten wir uns auch eine Weile über die hiesige Zubereitung dieser Tiere.






Nach unserer Frühstückspause in Pomarico brechen wir in Richtung Pisticci im Süden auf. Die extrem steile Abkürzung über eine schlecht bzw. nicht asphaltierte Straße hätten wir uns sparen können. Es wäre besser gewesen die Viale John F. Kennedy zu nehmen und dafür einen Umweg in Kauf zu nehmen.




Auf einer Hochebene angekommen ändert sich die Vegetation schlagartig und seltsamerweise kommt uns ein Mann entgegen, der sich rückwärts gehend fortbewegt… Sehr seltsam, denke ich mir als ich an ihm vorbeifahre…



Photovoltaikanlagen sieht man in dieser Gegend des Öfteren…

Wir stoßen wieder mal auf Fahrverbotsschilder und fahren etwas verunsichert, aber dennoch frohen Mutes weiter.


Vermutlich vergessen die Bauarbeiter die Schilder zu entfernen, denn es ist weit und breit keine Baustelle zu sehen. Wir plagen uns wieder mal bergauf und in der Ferne ist Pomarico zu sehen, wo wir gerade noch gefrühstückt haben…
In dieser Gegend begegnen wir drei Hunden, die uns frei laufend und erhöht auf einer Mauer stehend ankläffen. Hier kommt zum ersten Mal das Signalhorn mit 106 Dezibel zum Einsatz und siehe da – es wirkt! Die Hunde sind still und treten etwas verdattert zurück! Welche Erleichterung!!!


Auch Windkraftwerke sind hier oft vertreten… Gott sei Dank ist es gerade windstill! Es geht abwechselnd bergauf und bergab.

Wir genießen eine längere Abfahrt durch einen Buchen- und Pinienwald.



Anschließend radeln wir durch sehr karge und aride Landschaft mit den typischen Calanchis, die „Badlands“ von Italien. Darunter versteht man lehm- und tonhaltige, und daher sehr brüchige Felsformationen aus dem Quartär (vor 1,8 Millionen Jahren). Quelle: https://www.ceaicalanchi.com/das-naturschutzreservat-der-calanchi-von-montalbano/
Keine Menschenseele begegnet uns schon seit längerer Zeit und es ist extrem heiß hier…




Wieder eine Fahrverbotstafel! Haha, da können wir mittlerweile nur noch drüber lachen und fahren unbekümmert daran vorbei…

Von wegen Baustelle!! Eine der schönsten Abfahrten auf sehr gutem Asphalt mit Mittellinie erwartet uns!



In diesem Ort erhoffen wir uns ein Restaurant für die lang ersehnte Mittagspause. Leider Fehlanzeige. Es handelt sich um ein Industrie-Kaff mit kleinem Flughafen und eher dunklen Gestalten. Kein einladendes Lokal in Sicht.

Die Erlösung erfolgt erst nach weiteren 10 Kilometern und etlichen Höhenmetern.

Der Pferdehof Azienda „Il Calanco“ mit Swimmingpool ist der optimale Aufenthaltsort für den Nachmittag und, wie wir spontan entschließen, auch für die Nacht. Ursprünglich wollten wir ja bis nach Craco kommen, aber Antonietta überredet uns dazu eine Nacht hier zu bleiben. Sie meint, dass es dort zu gefährlich wäre um zu campen. Es war eine gute Entscheidung!




Nach einer Abkühlung im Pool kocht Antonietta für uns auf. Eine Gaumenfreude kann ich nur sagen! Die typische Suppe mit griechischem Namen auf Kürbisbasis mit Brotknödel ist köstlich und eine Spezialität aus der Gegend. Antonietta bezeichnet es als „Gericht der Armen“, also „piatto dei poveri“. Man kann sich garnicht vorstellen, wie gut ein so einfaches Mahl nach einer sehr anstrengenden Radtour schmecken kann und wie dankbar man dafür ist!!






Gegen 18:30 brechen wir mit dem Rad, aber ohne Gepäck, nach Craco auf. Die Geisterstadt liegt auf einem Hügel ca. 10 Kilometer entfernt. Bei der Anfahrt kommen wir bei einem vermutlich gelegte Flächenbrand vorbei


Einige Autos mit drei bis vier Männern darin überholen uns und mir wird immer mulmiger zumute, weil ja Antonietta gemeint hat, Craco sei ein gefährlicher Ort. Ein Polizeiauto kommt uns entgegen, was diese Aussage bekräftigt. Was wird uns da oben nur erwarten? Drogensüchtige, Diebe oder andere Kriminelle?Aufgrund dieser Zweifel und Ängste kehren wir zwei Kilometer vor Craco um, was aufgrund der einbrechenden Dunkelheit auch eine gute Entscheidung war. Der trostlose Ort Craco Peschiera liegt südöstlich und unterhalb von Craco. Hierhin wurden die letzten Bewohner von Craco in den 80-er Jahren ausgesiedelt, nachdem die Stadt aufgegeben wurde.


Erleichtert erreichen wir unser Quartier nach Sonnenuntergang, verzwicken genüsslich die riesigen Panini, die uns Antonietta vor der Abfahrt zubereitet hat und schlafen bald darauf ein.



BUONA NOTTE!!!
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