Wir starten beim Parkhaus Saba Venezia-Mestre Stazione, direkt gegenüber des Bahnhofs von Mestre. Wie geschmiert sind wir in zweieinhalb Stunden mit dem Auto nach Mestre gedüst, haben den Parkplatz Dank Claudias Navigationsunterstützung sofort gefunden und sind jetzt startklar.

Kommot führt uns auf Stadtradwegen und ruhigen Straßen in Richtung Süden. Wir müssen nur einmal für einen kurzen Abschnitt auf die etwas verkehrsreichere Via Padana, doch dann folgen wir wieder einem sicheren Weg bis zur Ortschaft Malcontenta.
Nach etwa einer halben Stunde Fahrtzeit heißt uns der Brentakanal mit seiner Riviera willkommen!!
Die Riviera del Brenta ist das Ufergebiet des Brenta-Kanals, der von Stra zum Adriatischen Meer verläuft und im 16. Jahrhundert durch Kanalisierung des Flusses Brenta entstand. Nirgendwo sonst finden sich in derartiger Dichte venezianische Villen außerhalb Venedigs wie hier. Bereits in der frühen Neuzeit flohen die reichen Kaufleute aus dem Patriziat von Venedig zumindest in den Sommermonaten in die kühleren Villen am Brentakanal. Bei den Villen handelt es sich um Landsitze der Patrizier und anderer wohlhabender Kaufleute, die dort ihre Sommerfrische verbrachten. Die Anreise erfolgte in Gondeln oder bequemen Booten, den so genannten Burchielli. Diese transportierten neben den adligen Damen und Herren der Gesellschaft auch Abenteurer, Künstler und Komödianten. Sie wurden bis Fusina mit Rudern angetrieben und danach im Kanal von Pferden gezogen. An den Ufern des Brenta angekommen, zog die Gesellschaft gerne von Fest zu Fest, von Villa zu Villa, was den – etwas euphemistischen – italienischen Ausdruck „andar per ville“ hervorbrachte (https://de.wikipedia.org/wiki/Riviera_del_Brenta).
Die Riviera des Flusses Brenta wurde von Casanova, Galileo, Lord Byron und D’Annunzio befahren, von Goethe und Goldoni besungen und von königlichen Gästen aus Frankreich und Russland besucht, hier übernachteten auch Napoleon sowie die Grafen aus den Häusern Habsburg und Savoyen (https://www.ilburchiello.it/de/il-burchiello-in-der-geschichte).


Wir entscheiden uns für einen kleinen Umweg über Fusina, das an der Adria liegt und so fahren wir an der Nordseite des Brentakanals in Richtung Osten. Gott sei Dank ist Claudia ähnlich gestrickt wie ich, denn schon nach ein paar Minuten müssen wir für die nächsten Fotos stehenbleiben… Es ist einfach bezaubernd, wie der Brentakanal mit seinen Booten spiegelglatt vor uns liegt!




Der Abstecher nach Fusina an der Kanal-Mündung hat sich auf jeden Fall ausgezahlt! Ein bisschen Meerluft schnuppern tut immer gut und im Hintergrund konnten wir die Silouette von Venedig sehen… Claudia kann ihre bis dahin unterdrückte Begeisterung nicht mehr zurückhalten und schwärmt vor sich hin. Es freut mich sehr, dass es ihr so gefällt…



Da wir ja nach Westen müssen, fahren wir den Brentakanal zurück, allerdings diesmal auf der Südseite, die landschaftlich noch reizvoller ist. Der Radweg, der eigentlich eine Straße ist, ist an diesem Tag definitiv autofrei.





Bei dieser malerischen Allee sind wir beide entzückt…




Hier wird zum ersten Mal Haralds Kamera ausgepackt! Auf Instagram und Facebook gibt’s das Video auch mit netter musikalischer Untermalung. Hier kann man unseren Gesprächen lauschen…
Claudia ist glücklicherweise für alles offen und wir wagen einen zweiten Abstecher zur bedeutsamen Villa Foscari, genannt La Malcontenta.
Villa Foscari, genannt La Malcontenta, ist der Name einer in der Ortschaft Malcontenta an einem der Mündungskanäle des Brenta gelegenen Villa. Sie wurde zwischen 1550 und 1560 nach Plänen des italienischen Architekten Andrea Palladio erbaut und gehört zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten im Umland von Venedig. Sie wurde für die Brüder Foscari, eine der mächtigsten Familien der Republik Venedig, entworfen. Es ist die einzige venezianische Villa, die im Gegensatz zu allen anderen palladianischen Villen fast königliche Züge aufweist (https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Foscari).
Die Überlieferung hält hartnäckig an der Legende fest, der Name „Malcontenta“, die Unzufriedene, gehe auf eine, wegen ehelicher Untreue, hierher verbannte Dame des Hauses Foscari zurück. Tatsächlich rührt der Name von einer weit vor der Errichtung der Villa zurückliegenden Unzufriedenheit her, nämlich dem Protest der Städte Padua und Piove di Sacco gegen die 1431 von Venedig angeordnete Grabung eines neuen Bettes für den Brentakanal, an dem heute das Dorf Malcontenta liegt (https://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Foscari).


Von den Abstechern und Schwärmereien sind wir hungrig geworden. Unsere fein gerichteten Jausenbrote müssen ihr Dasein aber weiterhin in den Packtaschen fristen, denn gegen ein „Affettato Misto“ kommen sie leider nicht an. Im Ristorante „Vettore“ in der Ortschaft Oriago genießen wir im kurzärmeligen Leiberl die Nachmittagssonne und den guten Prosecco.




Die Orte scheinen zusammengewachsen zu sein, denn Oriago geht fast nahtlos in die Ortschaft Mira über, wo auch die Villa Valmarana und die Villa Widmann vom Radweg aus zu bewundern sind.






Hier einige teils heruntergekommene bis baufällige, teils sehr gut erhaltene Villen entlang des Kanals.





Immer wieder gibt es Abschnitte auf ruhigen Landstraßen…

Irgendwo zwischen Mira und Dolo befindet sich dieses auffällig bunt geschmückte Haus eines unlängst verstorbenen Mannes. Seine Nachbarin, eine zahnlose ältere Dame schildert mir von ihrem Küchenfenster aus, dass sie ihn tot aufgefunden habe. Eine andere Mittefünfziger-Italienerin, die des Weges kommt, wirft ein, dass hier ihre alten Badezimmerfliesen eingearbeitet worden sind. Claudia und ich schmunzeln und finden es sehr kurios, dass außer alten Fliesen und Engeln auch Geschirr, wie Teller und Tassen im Mauerwerk zu finden sind…





Wir sehen den Campanile der Stadt Dolo und fahren unbeirrt weiter. Die Sonne steht schon tief und die größte Villa haben wir noch vor uns…


Villa Pisani
Sie liegt direkt am Brentakanal südöstlich der Ortschaft Stra und ist eher repräsentativer Palast als Villa. Kein Wunder, denn sie wurde 1720 von dem venezianischen Adligen Alvise Pisani beauftragt, um seine Wahl zum Dogen Venedigs zu feiern. Er war der 114. Doge Venedigs und so erhielt die Villa 114 Zimmer. Wenn auch die Wandbehänge unter dem Licht der Jahrhunderte vergilbt und nachgedunkelt sind und die Möbel abgenutzt und staubig wirken, die Inneneinrichtung ist original erhalten – die Zeit hinterlässt eben Spuren! Höhepunkt der schon von den besten Künstlern seiner Zeit gestalteten Villa ist das Deckenfresko im Ballsaal von Giovanni Battista Tiepolo, einem der berühmtesten Barockmaler Venedigs (https://www.azzurro-diary.com/auf-den-spuren-der-venezianer-entlang-des-brentakanals-in-venetien/).
Die Pisani-Familie, eine der reichsten Familien Venedigs, besaß beeindruckende Paläste in der Stadt und Ländereien, die große Gewinne einbrachten. 1797 übergab der letzte Doge die Stadt Venedig an Napoleon, später fiel Venetien an die Österreicher. Napoleon kaufte die Villa Pisani 1807, fand sie dann aber für sich zu klein, nachdem er dort einmal übernachtet hatte (https://www.azzurro-diary.com/auf-den-spuren-der-venezianer-entlang-des-brentakanals-in-venetien/).





Gleich hinter dem Areal der Villa Pisani befindet sich diese (siehe unten) verlassene und leider schon sehr restaurierungsbedürftige Villa. Es zahlt sich auf alle Fälle aus, die Mauern der Villa Pisani zu umrunden, den man bekommt Einblicke in den hinteren Bereich mit Brunnen und Bad und an der Ostseite sieht man durch ein Tor das penibel geschnittene Hecken-Labyrinth mit Wendeltreppentürmchen in der Mitte. Ein schöner Spazierweg führt zum Schluss entlang der Mauer zum Ausgangspunkt zurück.

Die Fahrt um das Areal der Villa Pisani führt uns zu dieser genialen Schuhmanufaktur. Wir gaffen neugierig durch die Eisenstäbe des Zaunes, als sich – wie von Geisterhand – das Tor (für uns??) öffnet. Claudia ist zunächst noch zögerlich, doch nach der dritten Toröffnung ist sie bereit, das Schuhterritorium von Rene Caovilla mit mir zu betreten. Die nette Dame aus der Manufaktur muss mich auf meine Frage, ob es hier eine Exposition von Schuhen gibt, leider enttäuschen. Hier werden die Schuhe nur produziert, ist ihre Antwort. Hätte ich mir auch denken können, aber man sollte jede Gelegenheit nutzen, um mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen und ein paar Worte zu wechseln, um wieder Neues zu erfahren…




Bei der Ortschaft Stra geht der Brenta-Kanal in den Piovego-Kanal über, dem wir etwa zehn Kilometer bis Padua folgen. Am Weg bewundern wir noch die eindrucksvolle Villa Giovanelli Colonna.







Padua
Unser erster Eindruck von Padua waren Arkadengänge über Arkadengänge von einem Gebäude zum nächsten übergehend. In der antiken Pasticceria „Antico Forno“ kommt Claudia endlich zu ihrem schon lang ersehnten Cappuccino. Wir gönnen uns auch zwei „Pasticcini“, die köstlichen Minitörtchen, die es hier in allen Variationen und Farben gibt.
In dieser Gemütlichkeit schauen wir uns auch gleich nach einer Unterkunft um. Im „Hotel dei Pellegrini“ sind laut Booking.com noch mehrere Zimmer frei. Entspannt lehnen wir uns zurück und genießen Kaffee und Küchlein. Die Entscheidung ist gefallen: Wir werden direkt hinfahren und vor Ort buchen!






Da Claudia die Stadt Padua ja schon kennt und ein Aperolspritzer ausständig ist, möchte sie mir das älteste Kaffeehaus der Stadt zeigen. Von einem sehr sympathischen Kellner bekommen wir zu den Getränken FÜNF verschiedene „stuzzichini“ (=Knabbereien) gereicht.





Diesmal haben wir noch einmal Glück. Ich denke wir ergattern noch eines der letzten oder gar DAS letzte Pilgerzimmer, denn der Rezeptionist und seine Kollegin sind etwas hektisch. Wie auch immer, das Zimmer war gebongt und völlig in Ordnung für 82€ an der Piazza del Santo neben der Basilika des Heiligen Antonius.
Den Abend verbringen wir im von jungen Menschen belebten Stadtzentrum. In einer nichtssagenden Seitengasse vermuten wir den Beginn eines Konzerts oder Theaters, doch es sind nur Leute, die sich vor einer Enoteca gruppieren, Wein trinken und sich unterhalten. Hier spielt sich das Leben auch bei kühleren Temperaturen auf der Straße ab. Claudia und ich sind begeistert und mischen uns unter die Menge, wobei wir anscheinend doch eher herausstechen, wie manche Fotos dokumentieren… Finde Claudia mit der leuchtgelben Jacke unter den Arkaden!








Aus Mangel an urigen, typisch italienischen Lokalen setzen wir uns an der Piazza dei Signori in ein belebtes Lokal am Platz. Wir bestellen Mini-Burger, Mini-Tartare und Claudia noch ein „Cicchetto“ (Weißbrot Brot mit diversem Belag) oben drauf.


Nach einem ereignisreichen Tag fallen wir beide müde ins Bett. Claudia hat sich noch ein extra Leintuch mit Decke bestellt, damit wir uns nicht um das große Laken, wie es in Italien bei einem „Letto matrimoniale“ (=Ehebett) üblich ist, streiten müssen.

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