2. Tag: Padua – Vicenza (Verona), 53 km, 140 Hm

Nach einem schnellen Cappuccino mit Brioche in der hoteleigenen Bar sind wir bereit für die Abfahrt.

Wir waren sehr zufrieden mit dem Hotel „Casa del Pellegrino“ und würden es auf alle Fälle weiterempfehlen!

Nach ein paar Schnappschüssen vor dem Hotel schwingen wir uns motiviert auf unsere Räder, doch schon hundert Meter weiter müssen wir zum Fotografieren stehen bleiben: Die Piazza del Santo mit der Basilika des Heiligen Antonius ist zu beeindruckend, um daran vorbeizufahren…

Nicht weit von der Piazza del Santo entfernt liegt der große, ovalförmige Platz „Prato della Valle“, auf dem es samstags immer einen riesigen Markt gibt. Claudia und ich sind von den Blumenstandln und hier vor allem von den ausgefallenen Zyklamenarten geflasht.

Wir fahren über eine der Brücken des Prato della Valle und überqueren die Isola Memmi, die von einem Kanal und insgesamt 78 Statuen umgeben ist.

Der Prato della Valle im Süden Paduas ist nicht nur der größte Innenstadtplatz Paduas, sondern auch einer der größten in ganz Europa. Kein Wunder, dass er eine beliebte Ruhe- und Flanierzone für die Padua Bevölkerung darstellt. An der elliptischen Platzform lässt sich noch gut nachvollziehen, dass hier einst eine riesige römische Arena stand. Die Überreste wurden jedoch im 16. Jahrhundert abgerissen und für den Bau der Basilica di Santa Giustina verwendet. Aus dem dadurch entstandenen Sumpf begann man im 18. Jahrhundert schließlich den Platz in seiner heutigen Form zu gestalten. Rund um die von einem Kanal umgebene Insel reihen sich insgesamt 78 Steinfiguren, die berühmte Bürger der Stadt Padua darstellen. An den Brücken drängen sich Päpste, Dogen und andere besonders berühmte Personen aus der Geschichte Paduas wie etwa Galileo Galilei. Samstags gibt es hier übrigens einen großen Markt, der beinahe den gesamten Platz einnimmt und im Juni herrscht reges Treiben im jährlich wiederkehrenden Vergnügungspark im Prato della Valle (https://www.zainoo.com/de/italien/venetien/padua/sehenswuerdigkeiten-padua/prato-della-valle).

Claudia kennt sich, wie gesagt, in Padua schon recht gut aus und so führt sie mich zu den wichtigsten Plätzen der Stadt: Piazza delle Erbe und Piazza dei Signori. Ich folge ihr unauffällig…

Auf den beiden Plätzen Piazza delle Erbe und Piazza delle Frutta finden Paduas große Märkte statt. Die beiden Plätze im Herzen Padovas sind durch den Palazzo Comunale praktisch geteilt bzw. durch die im Untergeschoss befindliche Markthalle verbunden. Der Palazzo della Ragione ist Teil des Palazzo Comunale. Er wurde ab 1218 erbaut und ist das heimliche Wahrzeichen Paduas. Er wird mit seinen 81 x 27 Metern Grundfläche und 27 m Höhe auch als Salone bezeichnet. Beeindruckend ist die Dachkonstruktion, die wie ein umgedrehter Schiffskiel aussieht. Im Obergeschoss befindet sich der ehemalige Rats- und Gerichtssaal, der heute als Ausstellungssaal dient. In der benachbarten Piazza dei Signori befindet sich zwischen dem Palazzo del Capitano und dem Palazzo del Camerlenghi der Uhrturm, Torre dell’Orologio, mit einer astronomischen Uhr aus dem Jahr 1437.

An der Piazza delle Erbe wollen wir wissen, ob es diesen bunten Markt nur am Wochenende gibt oder auch an anderen Tagen. Die gesprächsbereite, sympathische Standlerin und ihr Artischokenherzen putzender Kompagnon erklären uns, dass sie jeden Tag hier ihr Gemüse feil bieten. Er beginnt um halb vier mit seiner Arbeit (Aufbau der „bancarelle“ (=Standln)), sie ein wenig später… Beeindruckt von der Fülle des Angebots schieben wir unsere Räder durch den Markt und fahren danach weiter zum nächsten Platz: Piazza delle Erbe (=Platz der Gewürze)

Auch an der Piazza dei Signori steht den Einheimischen ein ausgedehnter Markt zur Verfügung. Hier findet man allerhand, von Kleidung bis Haushaltsartikel ist alles dabei… Wir rätseln, wer das alles kaufen soll und ob die Nachfrage für all diese Produkte überhaupt besteht… Fakt ist: Die Italiener lieben Märkte!!

In Anbetracht der fortgeschrittenen Tageszeit lassen wir die Piazza della Frutta liegen und begeben uns auf den Radweg an der „Cavalcavia“, eine Hauptstraße, die in westlicher Richtung stadtauswärts verläuft. Bald haben wir das Stadtgebiet verlassen und sehen die erste Indikation unseres Radweges I1/I2 in Richtung Vicenza, das auch unser heutiges (vorläufiges) Tagesziel darstellt.

Der Radweg führt uns zunächst entlang des „Canale Brentella“, ein schmaler Kanal des Brenta, in südlicher Richtung, wo er südlich der Ortschaft Brusegana in den Fiume Bacchiglione mündet. Von da an folgen wir dem Flussbett des Bacchiglione bis Vicenza hauptsächlich auf schön angelegten Dammradwegen.

Am Bacchiglione angelangt überholen wir einen älteren Herrn auf seinem Fahrrad. Äußerst überrascht bemerken wir nach kurzer Zeit, dass er seinerseits ein Überholmanöver plant und Claudia auf die Pelle rückt. Wir lassen ihn passieren. Komischerweise wird er vor uns wieder langsamer. Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als noch einmal an ihm vorbeizufahren. Als er uns dann zum zweiten Mal beweisen will, dass er der Schnellere ist, können wir das Kuttern und Lachen nicht mehr zurückhalten und lassen ihn nochmals überholen…

An der Ponte del Brentello di Sotto verjüngt sich der Radweg zu einem reizvollen Singletrail. Hinter der Brücke ist die herbstliche Landschaft besonders lieblich.

Danach folgt ein längerer Abschnitt auf einem teils schottrigen Dammradweg. Claudia erinnert mich an ihre Weintrauben und den Apfel, die noch gegessen werden müssen. Wir halten Ausschau nach einer Bank.

Da uns leider keine Sitzgelegenheit unterkommt, beschließen wir Claudias Jause im Gras sitzend einzunehmen. Weil der Untergrund nass ist, wird daraus leider nichts. Als wir unsere Räder für ein Foto drappieren, fahren zwei Gravel-Biker an uns vorbei, die wir, wie alle Entgegenkommenden Radler, mit einem überschwänglichen „Ciao!!“ begrüßen. Zwei von ihnen, Flavio (47) und Alessandro (40) fragen uns, ob wir Hilfe benötigen. Flavio mit seinem Italo-Englisch: „Do you need Chelp?“ Ich beschwere mich, dass er nicht Italienisch mit uns spricht und füge hinzu, dass wir nur eine Pause machen. Sie drehen trotzdem um und wir kommen ins Gespräch. Bald sind wir beim Thema Alter angelangt und er fordert mich auf zu raten, wie alt er sei. Um mir diese Aufgabe zu erleichtern, nimmt er sogar seine Brille ab. Ich fotografiere ihn sofort und er fragt, ob ich eine App habe, die das Alter bestimmen kann… Gelächter, ein paar Fotos und schon geht die Reise weiter. Die Einladung mit ihnen gemeinsam weiter zu radeln lehnen wir dankend ab und bleiben unserem gemütlichen Tempo treu.

Wir sind immer wieder hingerissen von der Kulisse, die uns umgibt und wechseln uns im Schwärmen ab…

Eine nette Fußgänger- und Radfahrerbrücke führt uns über den Bacchiglione. Danach folgen wir einem geschwungenen Schotterweg in Richtung Santa Maria di Veggiano.

Bei der Ortschaft Montegalda liebäugeln wir mit einer auf einem Hügel gelegenen Burg. Claudia möchte aber lieber mit ihren Kräften haushalten und auch nicht zu viel Zeit vertrödeln, denn wir möchten unser Tagesziel VERONA ja nicht aus den Augen verlieren… Die Entscheidung nicht hinauf zu fahren war so gesehen absolut richtig!!

Ein paar nette Gravler aus Padua empfehlen uns den unten abgebildeten Single-Trail zu nehmen, der sich allerdings als Fail herausstellt. Hier hole ich mir nämlich meinen Patschen (=Platten). Wir packen die verflixte Pumpe aus und ärgern uns eine Weile damit herum, bis wir drauf kommen, wie man sie richtig benützt…

Bis zur nächsten Ortschaft namens Colzè ist es Gott sei Dank nicht mehr weit und die Luft reicht bis dahin. Wir folgen einträchtig der Beschilderung „Al Contadino“ und hoffen, im hintersten Winkel des ausgestorbenen Kaffs auf einen netten Agriturismo zu stoßen. Doch leider wieder Fail: Die Tore sind geschlossen und wir müssen weiter suchen.

Als hätten wir das Glück gepachtet, finden wir ein viel besseres Lokal – „Stella d’Italia“ – wo der Wein herrlich schmeckt und die rohen Meeresfrüchte eher lebendig aussehen. Hätte ich doch nur Spaghetti alle Vongole bestellt! Wir speisen dennoch wie die Göttinnen und vergessen dabei fast, dass wir noch einen Schlauch wechseln müssen…

Die Reparatur verläuft mit Videoaufzeichnung, einem Zuschauer und der fachkundigen Anleitung von Claudia – sie hat für solche Notfälle ein Zehn-Punkte-WiewechsleichdenSchlauchmeinesFahrrads-Merkblatt mit dabei – wie geschmiert.

Erleichtert und stolz, dass alles so gut geklappt hat, strampeln wir auf dem Dammradweg weiter, nicht ohne noch ein Foto vom Ort des Geschehens zu schießen – das Dörfchen Colzè mit dem hübschen rosa Campanile. Ein Drittel der Strecke haben wir noch vor uns, also circa 17 Kilometer.

Wir genießen die gut ausgebauten Radwege samt Umgebung und Landschaft, sowie die tolle Stadteinfahrt nach Vicenza.

Vicenza

Vicenza ist eine moderne Industriestadt in der Region Venetien. Die meisten Touristen fahren auf ihrem Weg nach Venedig und an die Adria achtlos an der Stadt vorbei. Aber Vicenza hat mehr zu bieten als Schmuck- und Bekleidungsindustrie. Kunstkenner schätzen es als die Stadt des Renaissance-Architekten Palladio, der im 16. Jahrhundert zahlreiche Villen und Paläste gestaltete. Sie gehören seit 1994 zum Weltkulturerbe der UNESCO (https://de.wikivoyage.org/wiki/Vicenza).

Aus Zeitgründen sehen wir von Vicenza leider nur einen kleinen Ausschnitt. Bei einer Durchfahrt verschaffen wir uns jedoch einen groben Überblick und sind beeindruckt. Die Piazza dei Signori mit der Basilika Palladiana bildet das Zentrum der Stadt und sticht besonders hervor. Hier findet, wie könnte es anders sein, ein großer Markt mit reichem Angebot statt.

Die lang gestreckte und äußerst prachtvolle Piazza dei Signori ist das Zentrum von Vicenza. Die vielen historischen Bauten ringsum zeugen von der Bedeutung des Platzes für das öffentliche Leben der Stadt. Beherrscht wird der gesamte Platz von der Basilica Palladiana, dem monumentale Meisterwerk von Andrea Palladio. Flankiert wird die Basilika von dem 80 Meter hohen Torre di Piazza. Der schöne Turm stammt aus dem 12. Jahrhundert und ragt leicht schief über den gesamten Platz.

Das rege Treiben am Markt fasziniert uns gleichermaßen und wir gustieren uns durch die unterschiedlichsten Stände diverser italienischer Regionen.

Bei Angelo aus Agrigent (Sizilien) und seinen Oliven halten wir uns etwas länger auf. Er singt bei seiner Arbeit ein melancholisches Lied und ich frage ihn nach dem Titel des Songs. „Brucia la Terra von von Rosa Balistreri“, lautet seine Antwort. Es handelt vom ärmlichen Sizilien der Nachkriegsjahre und der geschundenen sizilianischen Bevölkerung dieser Zeit. Angelo lässt sich gerne von der Arbeit ablenken und zeigt mir das Lied auf YouTube. Die ganze Prozedur dauert ein wenig… Claudia, die dabei ist Italienisch zu lernen, spitzt aufmerksam die Ohren, fotografiert und wartet geduldig bis ich fertig bin und einen Freund mehr auf Facebook habe.

Nach der netten Bekanntschaft mit Angelo radeln wir in Richtung Bahnhof, um uns ein Ticket nach Verona zu organisieren. Vor dem Bahnhof liegt ein ausgedehnter Park, der „Parco Ippodromo“, wo allerhand los ist. Von Kundgebungen über eine tanzende Großgruppe mit teils sehr alternativ gekleideten Menschen, die sich fließend zu Enya-Musik bewegen, ist alles dabei. Wir bleiben eine Weile bei ihnen stehen und beobachten sie amüsiert. Die Ticketbeschaffung funktioniert einwandfrei, auch das Retour-Ticket von Peschiera del Garda nach Mestre haben wir bereits in der Tasche.

Im Zug googeln wir mal nach Unterkünften in Verona und kommen drauf, dass es gar nicht so leicht sein wird etwas Günstiges zu bekommen. Das billigste Zimmer auf Booking.com im Zentrum von von Verona ist mit 900€ verzeichnet. 20 km außerhalb gibt es etwas um 240€. Ich bin trotzdem felsenfest davon überzeugt, dass es hier zu dieser Jahreszeit (Ende Oktober) kein Problem sein KANN ein halbwegs erschwingliches Hotelzimmer zu finden, auch wenn Booking.com uns etwas Anderes weismachen will. Wir überlegen trotzdem, ob wir nicht besser gleich nach Peschiera del Garda fahren sollen. Am See ist zu dieser Zeit ja bestimmt nichts los.

Der Zug hält in Verona und wir steigen aus. Im Menschen-Wirrwarr am Bahnsteig überlegen wir noch immer, was wir tun sollen und schieben unsere Räder nach langem Hin und Her schließlich wieder in den Zug. Dort google ich im Stehen noch schnell nach Unterkünften in Peschiera del Garda und siehe da: Auch hier sind nur noch Unterkünfte ab 250€ zu haben. Die Zugtüren sind noch offen und unsere endgültige Entscheidung auch. Schließlich steigen wir im letzten Moment doch noch aus und entscheiden uns für Verona!

Am Bahnhofsvorplatz machen wir uns ernsthaft daran eine Bleibe für heute Nacht aufzutreiben. Bingo! Ein Hotelzimmer im Zentrum um relativ günstige 170€!! Gekauft und gebucht mit von Harald durchgegebener Visa-Kartennummer. Wir fahren erleichtert los, vor allem Claudia fällt ein Stein vom Herzen, als mein Handy läutet. Der Rezeptionist vom Hotel muss mich leider enttäuschen, sie sind „al completo“, also ausgebucht. Booking.com war nicht aktualisiert. Eine Leuchtreklame mit der Aufschrift „Hotel“ erregt unsere Aufmerksamkeit und wir starten los. Vielleicht haben wir ja Glück. Der nette dunkelhäutige Concierge gibt uns leider auch eine Abfuhr. Man kann allerdings von Glück im Unglück sprechen, denn er bemüht sich um uns und organisiert uns ein Zimmer in ca. 6 Kilometer Entfernung. Wie nett von ihm!! Wir sind ihm unendlich dankbar und radeln erschöpft durchs Zentrum bis ans andere Ende der Stadt.

An der berühmten Piazza del Bra, wo auch die Arena zu finden ist, wundern wir uns über die aufgebrachte Menschenmenge. Hauptsächlich junge Leute, die zusammenstehen und Lärm machen. Wir vermuten eine Massenkundgebung und treten in die Pedale aufgrund der scheinbar aufgeheizten Stimmung.

Nach einer halben Stunde erreichen wir endlich unser Tagesziel, das Hotel „Maxim“ in einer tristen Wohngegend, dem Borgo Trieste, im Osten der Stadt.

Im versteckten Lokal „Carlo Re“, werden wir für all unsere Rückschläge und Mühen des heutigen Tages entschädigt. Der Prosciutto zergeht auf der Zunge und der weiße „Lugana“ passt hervorragend zu Spaghetti alle Vongole und Tagliatelle al Coniglio (=Kaninchen)!

Vergnügt und erheitert schlendern wir an Baustellen und Wohnblöcken vorbei in unser 4-Stern-Hotel, wo wir für das Abstellen unserer Räder jeweils 5€ bezahlen… Das Zimmer ist zwar schön und geräumig, aber um 182€ plus 10€ für die Räder absolut überteuert und auch aufgrund der Lage nicht unbedingt empfehlenswert.

BUONA NOTTE, RAGAZZI!

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2 Antworten

  1. Claudia Bürgel sagt:

    Liebe Alice,
    Dank deiner genauen und emotionalen Schilderungen unserer Radtour, habe ich das Gefühl, alles noch einmal zu erleben. So genial, deine Beschreibung der wunderschönen Radstrecke mit all den kleinen lustigen “Hoppalas” !
    DANKE, dass du mich mitgenommen hast !!!!!
    Claudia

    • Danke, liebe Claudia! Es war mir ein Vergnügen mit einer so unkomplizierten, begeisterungsfähigen, spontanen und dankbaren Mitstreiterin unterwegs zu sein! Danke DIR für die nette Begleitung und Unterstützung in schwierigen Situationen (Wie verwende ich die Pumpe richtig, Anweisungen beim Schlauchwechseln inklusive Videoaufzeichnung, Entscheidungsfindung – was machen wir jetzt?), aber auch für die vielen schönen Fotos, die du während der Radreise (auch von mir) geschossen hast!

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