Im meiner Unterkunft „Palazzo Florio“ wird das Frühstück von Anita, der Eigentümerin des Hotels, höchstpersönlich ins Zimmer serviert. Ich frühstücke an einem kleinen runden Tisch direkt am offenen Fenster.



Pünktlich um 8:00 Uhr holt mich Umberto, der Mann von Anita, ab, um mich zu meinem Rad in der ca. 1 Kilometer entfernten Garage im unteren Stadtteil zu bringen. Wir machen vorher noch einen Abstecher zum Trabocco Cungarelle und Umberto erzählt mir von dem wunderschönen Radweg an der „Costa di Trabocchi“, der noch nicht ganz fertiggestellt sein soll. Ich ahne nichts von dem atemberaubend schönen Abschnitt zwischen Ortona und Vasto, da ich ja im Zug gesessen bin und nichts davon mitbekommen habe…




Von Vasto nehme ich zunächst die Via Gaetano Donizetti, um aus dem Stadtgebiet zu kommen. An der Spiaggia di Vasto Marina beginnt ein netter Radweg durch die Riserva Naturale Regionale Marina di Vasto, eine langgezogene Parkanlage entlang der Küste. Immer wieder führen Wege in Richtung Strand und natürlich muss ich einen davon ausprobieren, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Nichts Aufregendes, wie sich herausstellt, nur Sandstrand und Sonnenschirme…



Weiter geht es vorbei an zahllosen Hotels, die sich auf der rechten Seite des Radweges befinden. Links führen lauschige Wege in Richtung Strand. Die Fußwege von den Hotels zum Strand sind jedoch relativ weit…


Auf der Höhe von San Salvo gibt es einige nette Radwegabschnitte…


Leider ist es mit der Herrlichkeit schon wieder vorbei, denn ab hier (Höhe San Salvo) endet der Radweg. Bis Termoli ist man gezwungen auf der bekannten Strada Statale 16 Adriatica zu fahren. Dies hat auch damit zu tun, dass ich mich bereits in der Region Molise befinde, die schon zum „Mezzogiorno“, dem etwas ärmeren Süden Italiens, gehört. Auffällig ist, dass in Molise das große Müllproblem des Südens tatsächlich augenscheinlich wird und für Radwege das Geld aus Rom anscheinend nicht mehr reicht oder in dubiosen Kanälen versickert… Der Grenzfluss zwischen den Abruzzen und Molise ist der Fiume Trigno, der südlich von San Salvo in die Adria mündet.

Nördlich der Ortschaft Petacciato erfreut man sich wieder einmal eines schmalen, naturbelassenen Küstenstreifens, der ebenso wie alle anderen noch so kleinen Grünflächen als Naturreservat beschildert wird. Die schnurgerade Straße wird mir schon zu langweilig und ich hoffe bei meinem nächsten Abstecher in Richtung Meer auf Abwechslung. Die bekomme ich an diesem wunderschönen, naturbelassenen Strand, wo sich nur einige wenige Menschen hinverirrt haben. Ich nehme ein Bad im Meer, raste mich ein wenig aus und lese mein Buch… Zufällig entdecke ich im Sand ein schönes, von Wasser und Sand abgerundetes Holzbrett mit türkiser, abbröckelnder Lackierung. Ein ideales Stück, um damit meine Wohnung zu verschönern und ein für mich wertvolles Andenken an die Etappe „Pesaro – Termoli 2021“.








Gleich anschließend an den einsamen Strand ist auf Kommot ein Radweg eingezeichnet, den ich natürlich ausprobieren möchte. Doch ob man diese Piste als Radweg bezeichnen kann, bleibt jedem selbst überlassen… Das Schöne an diesem Abschnitt sind die Brombeeren, die es hier in Hülle und Fülle gibt.



Ein wenig weiter südlich befindet sich direkt neben der wenig frequentierten Straße die Ruine des ehemaligen „Torre Petacciato“, eine der letzten Festungsanlagen im Kampf gegen die Türken und die Normannen. Heute ist das Areal rund um den verfallenen Turm eine Stellplatzanlage für Camper.



Vor Termoli gibt es immer wieder nett gestaltete Zugänge zum schier endlosen Sandstrand. Die Autos parken direkt an der Straße und mit Sack und Pack geht’s hinunter ans Wasser. Unbedingt den Sonnenschirm nicht vergessen, es hat eine Affenhitze hier im Juli!!!




Die gut befestigte Stadt Termoli ist schon von Weitem zu sehen und am mit Palmen gesäumten Radweg macht das Treten gleich viel mehr Spaß.






Hier, an der Spiaggia di Sant’Antonio, verbringe ich meine etwas verspätete Mittagspause. In einem der vielen „Stabilimenti balneari“ (=Strandbäder) entscheide ich mich wieder mal für die typische und vorzügliche Fischvorspeise.


Wie immer besichtige ich zunächst einmal die Stadt, was bei der extremen Hitze einer Härteprobe gleichkommt. Deshalb sind die Straßen und Gassen auch wie leergefegt… Ich habe Kopfweh und bin auf der Suche nach einer Unterkunft, was in dem relativ ausgebuchten Badeort garnicht so leicht ist. Etwas außerhalb finde ich dann ein halbwegs ansehnliches B&B.








Ausgeruht und erfrischt radle ich wieder in die Stadt, um ein letztes Abendessen zu genießen. Auch dieses Unterfangen stellt sich als Herausforderung dar, weil die Stadt mittlerweile mit Menschen überfüllt ist und die besten Lokale schon ausgebucht sind. Der traumhafte Sonnenuntergang lässt mich allerdings alle Unannehmlichkeiten vergessen und ich denke stattdessen an meine Liebsten, die zu Hause auf mich warten…




Ich finde ein Restaurant mit einem freien Tisch am Ende einer finsteren Gasse und warte ewig auf die Speisen, die leider garnicht meinem Geschmack entsprechen und lieblos serviert werden. Bisher habe ich immer sehr gut gegessen und wurde höflich und zuvorkommend bedient, nur am letzten Abend meiner Reise hatte ich diesbezüglich leider Pech.




Nach dem enttäuschenden Abendessen schlendere ich noch ein wenig durch die Gassen und suche erfolglos nach netten Mitbringseln für Marie und Gianni. Nichts zu finden… nur Ramsch aus China und anderen asiatischen Ländern. Kein einziges ansprechendes Geschäft!! Das hab ich noch nie erlebt!! Auf einem kleinen Platz in der historischen Altstadt von Termoli werde ich zum Abschluss doch noch belohnt. Ein Discjockey legt genau die Nummer auf, die wir drei Mädels Claudia, Ilse und ich, die selbst ernannten „Cantautrici italiane“ in das aktuelle „Programm“ aufgenommen haben – „Tu sei l’unica donna per me“ von Alan Sorrenti!!
Bei der Heimfahrt in die Unterkunft passiert mir noch ein schweißtreibendes Missgeschick… Mit wehendem Haar und ebenso flatterndem langen Kleid düse ich durch die Nacht. Ich bin gerade auf einer recht dunklen Straße (Gott sei Dank mit Licht!!) unterwegs, als mein Rad abrupt anhält, weil sich mein Kleid zur Hälfte in der Scheibenbremse verheddert hat. Es gibt kein vor und kein zurück mehr. Der Reifen ist komplett blockiert!! Leichte Panikgefühle kommen in mir hoch und es treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Ich stelle mir vor, wie ich das bepackte Rad am kommenden Tag zum Bahnhof trage und verzweifle bei der Vorstellung ein wenig. Was, wenn jetzt jemand kommt und mich bedrängt? Lasse ich mein Rad liegen und laufe davon? Eine andere Möglichkeit gibt es da wahrscheinlich nicht… Ungestüm zerre ich an meinem neuen Kleid, bis es zerreißt. Ein großes Stück hängt jedoch noch immer in der Bremse und blockiert den Reifen. Es dauert einige Zeit und erfordert viel Geduld, bis ich alle Reste herausgefuzzelt habe. Ich bewege das Rad hektisch nach vor und zurück und wiederhole diesen Vorgang, bis der Reifen endlich wieder halbwegs läuft.
Sehr erleichtert fahre ich bis zum Hotel, das weiter entfernt liegt, als ich dachte und lege mich unglaublich dankbar in mein weiches Bett. Ende gut, alles gut! Ich bin einfach ein Glückspilz und überzeugt von folgendem Satz nach Louise Hay: „Das Leben liebt mich!!“
Darauf kann ich nur erwidern: „Und ich liebe das Leben!!“
Eine Antwort
Und ich liebe meine Italobikerin!!!
Harald